Und wie ist das in diesem Jahr? Auch in diesem Herbst werden die Blätter gelb und die Äpfel rot - aber wir spüren, dass vieles nicht mehr so ist wie bisher. Ein unscheinbares Virus hat unser Leben durcheinander gebracht. Wir blicken auf Wochen und Monate zurück, in denen nicht nur viele ältere Menschen Einsamkeit gespürt haben und Unsicherheit. Und nicht nur die Jüngeren schauen mit großen Sorgen in die Zukunft und fragen sich, wie es weitergeht mit der Wirtschaft, mit ihrem Arbeitsplatz, mit der Schule ihrer Kinder - aber auch mit dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Dürfen wir, sollen wir, müssen wir Gott dankbar sein auch im Corona-Jahr?
Kein Mensch muss Gott dankbar sein für das Virus. Das wäre Unsinn. Überhaupt: Dankbarkeit und "müssen" vertragen sich nicht. Dankbarkeit ist nichts, was man "muss". "Sei dankbar" gehört so ziemlich zu den unsinnigsten Aufforderungen, die es gibt. Dankbarkeit kann man nicht erzwingen.
Dankbarkeit ist ein Lebensgefühl. Sie richtet sich zwar zuerst auf die Vergangenheit. Sie hat aber vor allem Folgen für die Zukunft: Wer dankbar ist, hat das Gefühl: Das Leben will mir nichts Böses. Trotz allem, was mir passiert ist - das Leben meint es grundsätzlich gut mit mir. Was auch immer noch kommen wird, ich werde damit umgehen können - mit Gottes Hilfe, der mich auch bisher begleitet hat. So eine Dankbarkeit ist ein anderes Wort für Lebensmut und Gottvertrauen. Und auch für die Bereitschaft zum Teilen.
Wenn auch in diesem Jahr die Blätter gelb werden und die Äpfel rot, dann sehen wir und können es tatsächlich begreifen, was Gott uns schenkt. Er will, dass wir genug haben, damit wir auch durch die Hunger- und Durststrecken unseres Lebens kommen. Mit Dankbarkeit und Mut zum Leben und Vertrauen auf ihn, der uns nicht loslassen wird, so wie er uns bisher nicht losgelassen hat.
Diese Dankbarkeit wünsche ich mir und Ihnen,
Ihr Nikolaus Hueck