
Zack: Weltfrieden?
Meine Predigt in der Christmette 2024 zu 1. Tim 3,16
Es ist schon etwas Besonderes, diese Nacht.
Diese Heilige Nacht.
Irgendwie intensiver als sonst.
Die Gefühle sind größer.
Die Familien kommen zusammen.
Alle bemühen sich um Frieden, wenigstens heute Abend.
Man spart die Reizthemen aus,
erzählt sich von früher,
isst gemeinsam etwas Gutes,
hat sich Gedanken gemacht, was der andere gerne mag,
und beschenkt sich gegenseitig.
Wer keine Familie hat, wer jemanden verloren hat,
spürt das an diesem Abend ganz besonders.
Kaum jemand ist in der Heiligen Nacht gern allein.
Einsamkeit schmerzt gerade jetzt ganz besonders.
So viele Briefe und Päckchen wie in den Tagen vor
Weihnachten gibt es sonst im ganzen Jahr nicht.
Das sind nicht nur materielle Geschenke.
Das sind auch viele gute Wünsche:
Friedlich soll es an Weihnachten werden.
Wenigstens an den Weihnachtstagen soll es so sein,
wie wir es uns eigentlich das ganze Jahr über wünschen.
Wenigstens jetzt soll wahr werden,
wonach wir uns das ganze Jahr sehnen:
Wir sehnen uns nach Frieden unter den Menschen.
Wir sehnen uns nach Geborgenheit und Liebe.
Wir sehnen uns danach, dass die Welt heller wird.
Dass die Kriege aufhören,
dass der Hass endlich verstummt
und der Terror austrocknet.
Wir sehnen uns danach,
dass es um uns herum friedlich und verständnisvoll zugeht.
Und dass die Menschen die Erde zu einem besseren Ort für alle machen.
Wir sehnen uns aber auch danach, dass wir selbst besser werden.
Wir vermissen sie ja auch bei uns:
die Liebe, die Geduld, die Friedfertigkeit.
Auch wir könnten das ganze Jahr über weihnachtlicher sein,
mehr so, wie Gott uns gewollt hat
und weniger so, wie wir selbst es dann halt doch sind.
So sind wir Menschen zerrissen:
Auf der einen Seite die graue und wenig friedliche Wirklichkeit.
Und auf der anderen Seite unsere Sehnsucht
nach Liebe, nach Frieden, nach Heil.
Wir sind zerrissen zwischen der Erde, die uns beschwert.
Und dem Himmel, nach dem wir uns sehnen.
Und heute Nacht, da spüren wir diese Zerrissenheit besonders.
Denn genau darum geht es an Weihnachten:
Um Himmel und Erde - und wie beides zusammen kommt.
Der Predigttext, der für heute Nacht vorgeschlagen ist, der ist nur einen Vers kurz.
Er steht im 1. Timotheusbrief, im 3. Kapitel:
Groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis
des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit.
Das hört sich ersteinmal gar nicht nach Weihnachten an.
Gut, Engel kommen vor.
Aber es fehlen Krippe und Stern,
es fehlen Maria und Josef.
Es fehlt vor allem das Jesuskind selbst.
Und trotzdem:
Es geht in dem Text um das, was wir an Weihnachten feiern.
Was wir gehört haben, das ist ein uraltes Lied
ein Lied aus den Anfängen der Christenheit.
Vielleicht könnte man sogar sagen,
dass unser Text eine Art Weihnachtslied ist.
Jedenfalls ein Lied, das in sehr wenigen Worten davon singt,
was da mit der Geburt Christi angefangen hat.

Es singt davon, dass Himmel und Erde sich verbunden haben.
In ihm, in Jesus Christus.
Gott ist Mensch geworden, hören wir das Lied.
Engel haben ihn gesehen und die Menschenvölker haben von ihm erzählt.
Er hat auf Erden die Menschen angerührt
und ist am Ende im Himmel aufgenommen worden.
Himmel und Erde, Engel und Menschen, Welt und Herrlichkeit -
darum geht es an Weihnachten:
Dass sich verbindet, was weit auseinanderliegt.
Dass zusammenkommt, was trotz aller Entfernung zusammengehört.
Gott bringt es zusammen.
Davon singt dieses alte und fremde Lied.
Und die, die es damals gesungen haben,
die waren genauso zerrissen wie wir heute.
Sie haben unter der Welt gelitten und an sich selbst gezweifelt,
genauso wie wir es tun.
Und sie haben sich nach Frieden und nach Liebe und Geborgenheit gesehnt,
nicht anders als wir heute.

Aber sie haben gespürt, und deswegen gesungen:
Alles, wonach wir uns sehnen, ist doch schon in unsere Welt gekommen.
Gott ist aus dem Himmel auf die Erde hinabgestiegen.
Seit er seinen Sohn geschickt hat,
seitdem ist der Himmel nicht mehr nur unerreichbar oben.
Und wir verloren auf der Erde.
Sondern der Himmel ist mitten unter uns.
Und weil sie das geglaubt haben, haben sie gesungen.
Dieses Lied hat ihnen Hoffnung gemacht.
Sonst hätten sie es nicht weitergegeben,
sonst wäre es nicht aufgeschrieben worden.
Auch wir singen an Weihnachten.
Viel mehr als zu jeder anderen Jahreszeit.
Und wer nicht selbst singt, hört Musik.
Von "Last Christmas" bis zum Weihnachtsoratorium -
die Musik spielt an Weihnachten eine große Rolle.
Das ist kein Zufall.
Denn Musik wirkt anders als gesprochene Worte.
Musik dringt tiefer.
Und das braucht es an Weihnachten.

Weihnachten, das soll nicht nur in unser Hirn.
Weihnachten muss auch in unsere Herzen dringen.
Sonst ist es nicht mehr als irgendein schönes, vielleicht etwas sentimentales Fest.
Und ein Weg in unsere Herzen führt über die Musik.
Schon die Menge der himmlischen Heerscharen hat damals gesungen,
oder können Sie sich die Engel anders vorstellen als singend:
"Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens."
Das sollen wir glauben.
Und so sollen wir leben.
Dass Himmel und Erde zusammengekommen sind.
Und das verändert alles.
Ja, das glauben wir.
Dass Gott an Weihnachten die Welt verändert hat.
Dass er unsere Sehnsucht gestillt hat.
Dass er unsere Zerrissenheit geheilt hat.
Wir glauben es ...
Wir wollen es glauben.
Aber: Die Welt ist doch immer noch wie sie ist.
Und wir sind irgendwie auch noch die alten.
Viel zu wenig ist weihnachtlich in unserem Leben.
Gott hat an Weihnachten die Welt eben leider nicht so verändert, wie wir uns das wünschen:
Zack: Weihnachten - zack: Weltfrieden.
Das wäre zu schön, um wahr zu sein.
So ist Gott nicht, auch wenn uns ein solcher Gott
manchmal sehr recht wäre.
Ich glaube:
Gott verändert nicht die Welt, jedenfalls nicht direkt.
Gott verändert die Welt, indem er uns verändert.
Ja, ich glaube, darum geht es:
Weihnachten soll zunächst uns verändern - und dadurch dann die Welt.
Gott will uns zu Menschen machen, die heil sind.
Die ganz sind.
Die lieben können und hoffen.
Die in Frieden miteinander leben können.
Die anderen vergeben können - und auch für sich selbst Vergebung annehmen.
Gott will uns zu Menschen machen, die dieser Welt eine Chance geben.
Trotz allem, was dunkel und schlecht und dreckig ist.
Trotz aller unserer Erfahrungen, die manchmal todtraurig und schmerzlich sind.
Deshalb ist er als Mensch auf die Welt gekommen.
Weil er den Menschen eine Chance geben will,
dass wir uns verändern.
Alleine schaffen wir das offenbar nicht.
Deshalb singen die Engel so laut und so schön sie können:
Eure Sehnsucht nach Frieden ist keine bloße Träumerei.
Friede auf Erden ist kein Wunsch, den man belächeln muss.
Da, dieses eine Mal, da ist das alles in Erfüllung gegangen.
In dieser Heiligen Nacht - und im Leben dieses Menschen Jesus, der damals geboren wurde.
Lasst Euch Eure Sehnsucht nach Liebe nicht austreiben, singen die Engel.
Gott kann machen, dass sich Himmel und Erde berühren.
Er kann Liebe schaffen in den Menschen,
in allen, die auf ihn vertrauen.
Und die Liebe in den Menschen kann Frieden schaffen.
Heute ist eine besondere Nacht.
Wir hören mehr auf unsere Hoffnungen und Sehnsüchte als sonst.
Wir hören die Engel singen,
wir lassen uns berühren von den Liedern, den alten und den neuen.
Wie schön wäre es, wenn Weihnachten in dieser Hinsicht kein einmaliger Abend bliebe,
sondern unsere tiefsten Gefühle auch sonst eine solche Rolle spielen würden.
Gott hat uns Grund gegeben, dass wir hoffen und glauben und lieben.
Damals in der Krippe hat er seinen Himmel mit unserer Erde verbunden.
Er wird uns nicht wieder loslassen,
das hat er uns fest versprochen.
Amen.