Durst nach Gerechtigkeit | nikolaushueck blog

Durst nach Gerechtigkeit

Meditation an Karfreitag 2015

Eintrag vom

Damals, als ihn der Teufel in die Wüste versucht hatte, damals hatte er nichts gegessen. er hatte gefastet, 40 lange Tage. Der Hunger hatte an ihm genagt.

Damals, als ihn der Teufel in die Wüste versucht hatte,
damals hatte er nichts gegessen.
er hatte gefastet, 40 lange Tage.
Der Hunger hatte an ihm genagt.

Aber er hatte der Versuchung widerstanden,
Steine in Brot zu verwandeln.
Damals war der Hunger auszuhalten gewesen,
weil er sich Gott nahe gefühlt hatte.

Gleich nach seiner Taufe im Jordan,
hatte er die Kraft gespürt, die Gott ihm gab,
voll von seinem Geist war er, ganz eins mit ihm.

Aber jetzt: Gott ist unendlich weit weg.
Und der Durst unerträglich.
Die Zunge klebt am Gaumen,
kein Wasser – nur gelber Wüstenstaub.

In der unbarmherzigen Sonnenglut hängt am Kreuz
dieser verletzliche und verletzte Körper.
Ein Mensch – kein Übermensch.

„Mich dürstet“ – ein Hilferuf an die Umstehenden.
Sie haben ihn verspottet, gequält, ausgepeitscht.
Sie haben ihn schließlich an das Kreuz geschlagen.
Grausam waren sie, unendlich grausam.

Er aber konnte nicht glauben,
dass sie ihm diesen allerletzten Wunsch nicht erfüllen würden.
Diesen Wunsch nach etwas zu trinken, den jeder Mensch kennt
und jeder Mensch verstehen muss, auch der grausamste.

Und so ist dieser Hilferuf mehr als der Schrei nach Wasser.
Es ist der Schrei nach Hilfe, nach Mitmenschlichkeit.
In diesem Schrei liegt der uralte Schrei aller geschundenen Menschen:
Es ist der Schrei nach Liebe, nach Gerechtigkeit, nach Freiheit.
Es ist der Schrei danach, dass mein Leben Heil werden soll.

Auch diesen Durst nach dem heilen Leben,
wie den Durst nach Wasser,
teilen alle Menschen.
Nicht nur dieser Gekreuzigte,
sondern auch die, die ihn gekreuzigt haben,
auch die, die sensationslüstern unten stehen und da oben einen sterben sehen wollen.

Auch ich teile diesen Wunsch.
Uns alle dürstet nach dem, was unser Leben heil macht.
Niemand hat dieses Bedürfnis der Menschen so gekannt
wie Jesus selbst.
Niemand hat diesem Bedürfnis so Ausdruck verleihen können
wie Jesus selbst.

Er hat den Durst der Menschen, denen er begegnete –
ihren Durst nach einem heilen Leben hat er verstanden,
ohne dass sie etwas sagen mussten.
Und er hat sie gesund gemacht.
Unzählige Menschen hat er geheilt,
nicht nur von ihren körperlichen Gebrechen,
auch ihre Seele hat er gesund gemacht.

Er hat ihren Durst gestillt,
und dabei oft genug die hartherzige menschliche Ordnung gebrochen,
und schließlich hat ihn das an’s Kreuz gebracht.

„Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit,
denn sie sollen satt werden“.
Jesus hat unserem Durst nach Liebe, nach Gerechtigkeit,
nach einem heilen Leben –
Jesus hat unserem Durst eine Würde gegeben:

Wer sich sehnt nach mehr Mitmenschlichkeit,
wen dürstet, dass es gerechter zugeht auf dieser Welt,
wer davon träumt, dass alle Menschen frei und aufrecht gehen dürfen,
der gehört zu ihm.

Und dessen Sehnsucht verspricht er erfüllen.
Zu der Frau aus Samaria hatte Jesus gesagt:
Wer von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe,
den wird in Ewigkeit nicht dürsten.
Sondern das Wasser, das ich ihm geben werde,
das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden,
das in das ewige Leben quillt.

Noch können wir das nicht sehen.
Noch sehen wir Jesus am Kreuz, leidend und verzweifelt.
Noch hören wir, dass Jesus Durst hat, genau wie wir Durst haben.
Noch ist Karfreitag.