Lass die Sorgen um morgen nicht das Heute auffressen | nikolaushueck blog

Lass die Sorgen um morgen nicht das Heute auffressen

Gedanken zum Predigttext am 13.9.2015

Eintrag vom

Ihr sollt nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat (Mt 6, 31-35).

Wer in ständiger Sorge lebt, der lässt sich von der Zukunft bestimmen.
Und vergisst dabei leicht die Gegenwart.
Was könnte alles schiefgehen?, frage ich mich –
und verstelle mir selbst den Blick auf das, was jetzt wichtig und richtig ist.

Ohne Vertrauen in die Zukunft – ohne Gottvertrauen, würde ich sagen –
wird das Leben schwer,
die ewige Unsicherheit verhindert so vieles,
was sich später ja immerhin auch als Segen herausstellen könnte.

Nehmen wir das Thema das uns derzeit alle ganz besonders beschäftigt:

Ich bin mir nicht sicher,
wie es hinausgehen wird mit der unkontrollierten Einreise so vieler Menschen in unser Land.
Ich gestehe, dass mich die großen Zahlen der Ankommenden nervös machen.
Dass ich mich verunsichern lasse vom Gedanken, wie das einmal werden wird.
Wer für die menschenwürdige Unterkunft und den Unterhalt der zigtausenden Flüchtlinge aufkommen wird,
die bei uns Zuflucht und Schutz und ein besseres Leben suchen.

Ich bin mir nicht sicher, wie lange die Euphorie anhalten wird,
mit der die Menschen auf den Bahnhöfen derzeit willkommen geheißen werden.
Ich finde es sympathisch, Flüchtlinge willkommen zu heißen,
aber ich habe ein wenig Sorge davor, wie das in ein paar Wochen sein wird.
Wenn es kalt wird und der Zauber des Neuen nachlässt.
Wenn die Kosten aufgestellt und verteilt werden müssen.

Wenn in den Klassen unserer Kinder Unterricht ausfällt,
weil auch die Kinder der neu Angekommenen ein Recht auf Bildung haben.

Und wie wird das erst in ein paar Jahren sein?
Wie wird sich unsere Gesellschaft verändern durch die vielen Menschen
mit anderen Kulturen, anderen Rechtsvorstellungen, anderen Religionen?

Was ist, wenn diejenigen, die immer schon Hass säen wollen,
wenn die auftreten und angesichts aller dieser Fragen immer mehr Zulauf bekommen?

Was ist, wenn unter dem Deckmantel der ehrlichen Sorge um unsere Gesellschaft
Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit gepredigt wird?

Ist sie nicht fahrlässig, diese Willkommens-Euphorie heute,
die nicht an die Folgen morgen und in den nächsten Jahren denkt?

Ja, diese Gedanken kann man sich schon machen.
Und dann lese ich das Evangelium und denke mir:
Lass die Sorgen um morgen nicht das Heute auffressen.
Kümmere Dich um Heute –
und vertraue das, was morgen kommt, dem himmlischen Vater an.

Ich sehe erschöpfte Menschen, gezeichnet von den unbeschreiblichen Strapazen ihrer Flucht.
Ich sehe verdreckte und heruntergekommene Menschen,
die daheim alles aufgeben mussten,
und die nicht viel mehr dabei haben als ihr eigenes Leben.
Schutzlos – angewiesen darauf, dass ihnen jemand Kleidung, etwas zu Essen und ein Dach über dem Kopf gibt.

Ich sehe Hoffnung in ihren Gesichtern,
Hoffnung auf unsere Hilfe,
Hoffnung darauf, hier bei uns ein besseres Leben zu finden.
Diese Menschen sind real, stehen auf unseren Bahnsteigen.
Heute, in diesem Moment.

Und dann weiß ich wieder, was zu tun ist.
Diese Menschen können wir nicht abweisen im Namen unserer Besorgtheit um die Zukunft,
die Probleme mit sich bringen könnte.
Diese Menschen können wir nicht enttäuschen,
nur weil sie das durcheinanderbringen könnten,
was wir als ruhiges, zufriedenes und ungestörtes Leben zu schätzen gelernt haben

Die Sorge um die Zukunft – so berechtigt sie sein mag –
unsere Sorge um die Zukunft darf nicht unsere Mitmenschlichkeit auffressen,
sie darf uns nicht dazu verführen, dass wir heute kalt und unmenschlich werden
und uns nicht mehr berühren lassen von dem unsagbaren Schicksal vieler dieser Menschen auf der Flucht.

Klar, es sind unzählige Fragen zu klären.
Wie die Lasten dieses Flüchtlingsstroms gerecht verteilt werden,
in unserem Land und mit den anderen reichen Ländern auf dieser Erde.

Wie die Menschen in Ihren Heimatländern Bedingungen schaffen können,
die eine Flucht gar nicht erst nötig macht,
und die ihnen sogar eine Rückkehr ermöglicht.

Wie wir zu einer Gesellschaft werden, in der die Verschiedenheit der Menschen,
ihrer Glaubensrichtungen, ihrer Kultur, ertragen werden kann.

Wie wir eine Ordnung aufrecht erhalten können,
die jedem Freiheit und das nötige Maß an Sicherheit ermöglicht.
Das sind Fragen, die uns beschäftigen werden.
Vielleicht mehr, als uns das jetzt, in diesen Momenten, klar ist.
Und es sind Sorgen, die viele von uns umtreiben.

Aber diese Sorgen – sie dürfen nicht dazu führen,
das, was heute dran ist,
was heute notwendig ist, weil es die Not der Leute wendet,
was uns heute die ganz einfache Mitmenschlichkeit gebietet,
dass wir das aus dem Auge verlieren.

Die Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Sie darf uns nicht dazu verleiten, unsere Menschlichkeit zu verlieren.
Die Hoffnung, die wir von Gott geschenkt bekommen,
muss sich zur Liebe verwandeln, die wir weitergeben
an die, die sie jetzt – in diesem Moment – am nötigsten brauchen.