Osternacht auf der Baustelle | nikolaushueck blog

Osternacht auf der Baustelle

Predigt zu Kolosser 3,1-4

Eintrag vom

Was soll man in einer solchen Nacht predigen?
Das, was wir heute Nacht feiern,
das ist so viel größer als alles, was ich jetzt sagen könnte.
Jedes Wort, jeder Satz, alles Reden
ist hilfloses Gestammel angesichts dessen,
was Gott an Ostern getan hat.

„Er ist auferstanden“ - eigentlich enthalten diese drei Worte alles,
was man in der Osternacht sagen kann,
singen kann, beten kann, jubeln kann.
Was soll man mehr sagen, deuten, predigen?

„Er ist auferstanden“,
der, der Gottes Liebe verkündet hat wie niemand sonst.
Der, der Gott den Menschen nahegebracht hat, wie niemand sonst;
den die Menschen grausam ermordet haben,
weil sie seine Liebe nicht ausgehalten haben -

Der hat am Ende Recht bekommen.
Von Gott selbst.
Gott hat ihn nicht dem Schicksal überlassen,
das ihm die Menschen zugedacht haben.

Gott hat - dieses eine Mal nur - alle seine Gesetze außer acht gelassen,
und hat ihn auferweckt.
Hat ihn auferstehen lassen, so dass er seinen Jüngern begegnen konnte.

Die Liebe, die Jesus verkündet hat, war nicht trügerisch.
Sie war damals und ist heute wirksam
Diese Liebe Gottes ist eine unfassbare Kraft
und sie gilt allen seinen Menschen.

Die Jünger haben das erlebt, sie haben es weiter erzählt,
ein großer Strom der Hoffnung ist entstanden,
hat Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten
und schließlich auch uns erfasst:

So klein wir auch sind, so zerbrechlich wir auch sind,
so sicher der Tod uns einmal aus diesem Leben wegreißen wird:
Genauso sicher ist es, dass wir nicht im Nichts verschwinden,
sondern bei Gott bleiben.
An Jesus Christus hat Gott es uns gezeigt,
dass uns nicht ewiger Tod, sondern ewiges Leben bei ihm erwartet.

„Er ist auferstanden“ - das war die Quelle dieses Stroms.
Wie viele Menschen haben diese drei Worte trösten können!
Wie viele Menschen haben sie aus der tiefsten Verzweiflung herausgeführt!
Wie vielen Sterbenden haben sie Hoffnung gegeben!
Wie vielen Lebenden haben sie die Gewissheit gegeben,
dass ihre Verstorbenen bei Gott sind und dort leben!

Manche von Ihnen mögen im letzten Jahr die Kraft gespürt haben,
die von diesen Worten ausgeht.
Anderen ist diese Hoffnung vielleicht auch fremd geblieben.
Niemand kann sie beweisen, niemand kann sie erklären.

Aber manchmal sind Bekenntnisse einfach stärker als Erklärungen.
„Er ist auferstanden“ ist so ein Bekenntnis,
es ist das Grund-Bekenntnis auf dem der Glaube beruht:
Das Leben ist stärker als der Tod,
die Liebe stärker als der Hass,
die Hoffnung stärker als die Verzweiflung.

Ich sage ja: Es bleibt Gestammel, was wir Menschen zu dieser
ungeheuerlichen Hoffnung sagen können.
Gestammel, das den einen mehr, den anderen weniger einleuchtet.

Immerhin haben wir Vorgänger,
die sich an diesem Thema schon abgearbeitet haben.
Den Verfasser des Briefes an die Kolosser etwa.
Auch er versucht, das unsagbar Neue und unfassbar Frohe
der Osterbotschaft in Worte zu fassen.
Was bedeutet dieses „er ist auferstanden“ für uns, für unser Leben?

Im Kolosserbrief, Kap. 3, klingt das so:
Seid ihr nun mit Christus auferstanden,
so sucht, was droben ist, wo Christus ist,
sitzend zur Rechten Gottes.
Trachtet nach dem, was droben ist,
nicht nach dem, was auf Erden ist.

Der Kolosserbrief ändert unsere Blickrichtung.
Er hebt uns den Kopf.
Sanft und ohne Gewalt, aber doch bestimmt.
Verliere dich nicht im Blick nach unten.
Versinke nicht in den Grausamkeiten,
den Ungerechtigkeiten, den Tränen und der Gewalt,
an denen die Erde nun mal kein Mangel hat.

Es gibt auch noch etwas anderes. Und daraus sollst Du leben.
An Ostern ist etwas grundstürzend Neues in die Welt gekommen.
Und das soll Dir Kraft geben.

Ich lebe nur dann, wenn ich mich auf dieses Neue einlasse,
wenn ich bereit bin, über die alten Grenzen hinauszudenken.
Wenn mein Vertrauen größer ist als meine Angst,
wenn ich mich auflehne gegen die alten Gesetze des immer Gleichen.

Der Blick geht nach oben -
Ich weiß, dass es hinter diesem Holzboden da oben noch weitergeht.
Ich weiß, dass da ein Gewölbe steht.
Geschwungene Bögen in atemberaubender Höhe,
niemand sieht sie jetzt, aber sie sind da.

Wir sind in einer Kirche, auch wenn man das zur Zeit eher erahnt als sieht.
Ich lebe in Gottes Welt - auch wenn man sie so, wie sie ist,
manchmal mehr für eine Erfindung des Teufels halten kann.
Und doch lebe ich in Gottes Welt.
Das ist der Blick nach oben.

Fest auf der Erde stehen, sensibel für das Leid der Menschen - und den Blick trotzdem nach oben richten.
So will ich leben.
Und davon erzählen, stammeln, singen, jubeln.
Im Protest gegen alles, was Menschen klein macht.
Im Protest gegen Terror, Angstmacherei, gegen den Tod in allen seinen Varianten.

Ich glaube, das heißt: erlöst sein:
den Kopf zu heben und die Stirn zu bieten
der Angst, der Feindseligkeit, der Unmenschlichkeit, der Feigheit, der Selbstsucht,
der Kleinlichkeit, der Überheblichkeit, der Denkfaulheit.

Die Kraft für den Protest gegen dies alles kommt nicht aus mir selbst.
Nicht aus meinem Körper und nicht aus meinem Verstand.

Die Kraft für diesen lebendigen Protest kommt von Gott,
und sie findet Platz in jedem Menschen:
in den Fröhlichen, Kräftigen Lebensfreudigen
genauso wie in den
Alten, Kranken, Verzweifelten.

Die Kraft Gottes hat Jesus von den Toten auferweckt.
Sie hilft auch uns Lebenden zum Leben.

„Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur rechten Gottes.“

Amen.