Hat die Wohnung Gottes nur Zimmer für Christen? | nikolaushueck blog

Hat die Wohnung Gottes nur Zimmer für Christen?

Predigt zu Epheser 2, 17-22

Eintrag vom

Christus ist gekommen
und hat im Evangelium Frieden verkündigt
euch, die ihr fern wart,
und Frieden denen, die nahe waren.

Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge,

sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen,
erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten,

da Jesus Christus der Eckstein ist,

auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst

zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.

Durch ihn werdet auch ihr miterbaut
zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Wenn es um die Länge und Kompliziertheit der Sätze geht,
dann hat der Epheserbrief die Nase ganz weit vorne.
Aber eigentlich ist es gar nicht so kompliziert:
Es geht um zweierlei Christen.
Um Christen, die aus dem Volk Israel stammen, also Juden waren.
Und um solche Christen, die aus den so genannten Heiden stammen.
Die also früher die griechischen und römischen Götter angebetet hatten.

Paulus heißt nicht umsonst der Apostel der Heiden.
Er selber war bekanntlich streng gläubiger Jude.
Aber seit Christus, sagt er, gibt es keinen Unterschied mehr
zwischen Juden und Heiden.
Oder vielleicht muss man besser sagen:
Es gibt natürlich Unterschiede zwischen dem Volk Israel
und den anderen Völkern.
Diese Unterschiede bleiben auch weiter bestehen,
aber sie sind nicht mehr wichtig.
Wer an Christus glaubt, der kann ansonsten herkommen, wo er will: Aus dem Volk Israel, aus den Heiden,
Christus macht da keinen Unterschied.

Diese Lehre des Paulus will der Epheserbrief fortsetzen.
Offensichtlich gab es darüber Streit.
Und offensichtlich war sich mancher nicht ganz sicher,.
ob man nicht eigentlich Jude sein muss,
um wirklich an Jesus Christus glauben zu können.

Da wendet sich der Epheserbrief an die ehemaligen Heiden:
Ihr, ihr ehemaligen Heiden, ihr gehört jetzt dazu.
Ihr seid nicht mehr länger fremd hier in unserem Glauben,
bestenfalls geduldet.
Nein, ihr gehört zur Familie Gottes dazu,
ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.

Denn das Haus, in dem wir alle zusammen wohnen,
dieses Haus bauen nicht Menschen,
dieses Haus baut Gott.

Und wo Gott das Haus baut,
wo Christus der Maßstab für dieses Haus ist,
da entscheiden nicht Menschen, wer dazu gehört.
Da entscheidet Gott, wer einziehen darf.
Und Gott lädt alle ein, die sich von ihm einladen lassen.

Damals war ein solcher Gedanke tatsächlich revolutionär.
Dass die Grenze zwischen Juden und Heiden bröckeln könnte,
das konnte man sich im 1. Jahrhundert kaum vorstellen.
Der berühmte Tempel in Jerusalem hat die Unterschiede
förmlich zementiert:

Es gab Bezirke, in denen sich Heiden aufhalten durften.
Aber näher am Allerheiligsten, da durften nur Juden vordringen.
Auch in dieser Hinsicht hat Jesus einen ganz neuen Tempel erbaut.
Einen, der die Menschen nicht mehr durch Mauern trennt.

Aber was machen wir heute damit?
Die Frage, wie sich Juden und Heiden zueinander verhalten,
gehört nun nicht zu den Fragen, die wir uns heute am allerdringendsten stellen.

Uns beschäftigt etwas ganz anderes zur Zeit sehr viel mehr:
Nämlich die Frage, wie wir mit Menschen umgehen sollen,
die mit einem ganz anderem Glauben zu uns kommen.
Einem Glauben, einer Religion, die erst 600 Jahre später aufkam,
nämlich dem Islam.

Wie sollen wir uns das eigentlich vorstellen?
Was glauben wir, wie Gott zum Unterschied zwischen Christen und Muslimen steht?
Glauben wir tatsächlich, dass Gott uns in unseren schönen Kirchenmauern Platz nehmen lässt,
während er die Muslime draußen vor der Mauer im Regen stehen lässt?

Glauben wir, dass wir einmal im Himmel zusammenkommen
und dann ganz unter uns sein werden?
Nur wir Christen?
Womöglich nur die Christen, die immer ganz fromm waren?

Vielleicht hilft da ein Blick auf unseren Text:
Der spricht nämlich tatsächlich zu uns.
Er meint uns, wenn er von den Heiden spricht.

So erstaunlich das klingen mag:
Wir, die wir eben nicht aus dem Haus Israel stammen,
wir waren die Heiden, die Fremdlinge und bestenfalls die Gäste.

Wir sind es, die erst später dazu gekommen sind.
Die dankbar sein können,
dass wir uns nun Hausgenossen der Heiligen nennen dürfen.

Gott hat Israel als sein Volk auserwählt,
damit hat seine Geschichte mit uns Menschen angefangen.
Das glauben keineswegs nur die Juden,
das glauben auch wir Christen.
Und erst Christus war es, der uns die Tür zu Gott aufgestoßen hat.
Der uns mit in dieses Verhältnis Gottes zu seinem Volk hineingenommen hat.

Das ist unsere Geschichte als Christen.
Aus der Fremde kommend und aufgenommen in die Hausgemeinschaft Gottes,
um im Bild des Predigttextes zu bleiben.
Und nun sitzen wir in diesem Haus Gottes,
und nicht wenige hätten es gerne, wenn wir hinter uns die Tür abschließen könnten:
„Das Haus ist voll, ihr kommt hier nicht mehr rein.“

Das ist angesichts unserer Geschichte absurd.
Mauern zwischen Religionen können bröckeln.
Die Mauern, die sich die Menschen zurecht gemörtelt haben,
um sich die jeweils anderen vom Leib zu halten,
die können nicht nur bröckeln,
die können dramatisch einstürzen.
Was ich nun ausdrücklich nicht sagen will:
Dass es keine Unterschiede zwischen Christentum und Islam gebe.
Doch, die gibt es, und die bestehen auch weiter.
Unterschiede verwischen ist unehrlich,
und Unehrlichkeit ist keine gute Voraussetzung für’s Zusammenleben.
Schließlich hat Paulus eben gerade nicht
die Unterschiede zwischen Judentum und Christentum verwischt.

Zwischen Christentum und Islam sind die Unterschiede ungleich größer,
die Verwandtschaft ungleich kleiner.
Wir glauben anders, beten unterschiedlich.
Wir messen den religiösen Werken,
den Verboten und Geboten ganz unterschiedliche Bedeutung bei.
Wer sagt: „Letztlich glauben wir doch alle an den selben Gott“,
der hat nichts davon verstanden, was Religion ist.
Denn das, was wir Christen mit dem Kreuz verbinden,
das ist für den frommen Muslim nichts anderes als Gotteslästerung.

Also: Keine Unterschiede verwischen.
Aber vielleicht doch sich selbst noch einmal kritisch fragen:
Wie soll ich das mit den Mitbürgern und Gottes Hausgenossen verstehen?
Ist das auf Juden und Christen beschränkt?
Und alle anderen, alle Muslime zum Beispiel, irren sich schrecklich, werden diesen Irrtum einmal ganz furchtbar bereuen? Denke ich so von Gott, glaube ich das wirklich?

Das ist ja nicht ganz unwichtig für die Frage,
wie wir denen begegnen, die da zu uns kommen.
Schauen wir auf sie herab?
Begegnen wir ihnen auf Augenhöhe?

Vielleicht müssen wir einfach aus unserer eigenen Geschichte lernen.
Wir, die wir selbst einmal Fremdlinge im Haus Gottes waren,
sind in dieses Haus aufgenommen worden.
Und daraus könnten wir lernen,
dass Gott mit uns Menschen mehr vorhat,
als wir uns das in unserer begrenzten Phantasie vorstellen können.

Gerade wenn wir Christus als den Grundstein sehen, ohne den nichts geht,
gerade dann sollten wir versuchen, an seinem Haus zu bauen.
Nach seinem Maßstab, nicht nach unserem eigenen.

Und dieser Maßstab heißt:
Keine Mauern zwischen Menschen.
Überlasst das Richten über unseren Glauben Gott.

Wir jedenfalls wollen alles dafür tun,
dass sich alle seine Menschen in seinem Haus geborgen fühlen.

Wir wollen fröhlich und liebevoll, von unserem Glauben erzählen
und den anderen Glauben achten.
Lasst uns denen entgegentreten, die aus dem Christentum eine Festung machen wollen.
Nichts widerspricht Jesus Christus mehr,
als in seinem Namen Mauern aufzubauen.

Das mag naiv klingen, ich weiß.
Und natürlich weiß ich auch, dass es religiösen Fundamentalismus gibt,
der sich von so naiven Reden nicht beeindrucken lassen wird.
Es gibt religiös geschürten Hass,
der vor keiner Brutalität zurückschreckt.
Christen, das ist leider wahr,
gehören heute zu der am meisten verfolgten Religion auf der Erde.
Und es gab Zeiten, da waren es nun gerade die Christen,
die besonders grausam um die Welt gezogen sind.
Aber Aufrechnen hilft niemandem.

Den Hass des Islamismus werden wir nicht überwinden,
wenn wir alle Muslime dafür in Sippenhaft nehmen.
Wenn wir uns kulturell und religiös überlegen fühlen,
wird nichts besser.
Die Religion darf niemals die Mauer sein, die Menschen trennt.
Wer eine solche Mauer bauen will,
darf jedenfalls nicht Christus seinen Grundstein nennen.
Die Wohnung Gottes im Geist, von der der Epheserbrief schreibt,
hat mehr Zimmer als wir meinen.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all‘ unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.