Gott hält es alleine im Himmel nicht aus | nikolaushueck blog

Gott hält es alleine im Himmel nicht aus

Meine Predigt an Trinitatis zu Eph 1,2-14

Eintrag vom

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war,
dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten;
in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt,
seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens,
zum Lob seiner herrlichen Gnade,
mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden,
nach dem Reichtum seiner Gnade, die er uns reichlich hat widerfahren lassen
in aller Weisheit und Klugheit.
Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss,
den er zuvor in Christus gefasst hatte,
um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre,
dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.
In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden,
die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt,
nach dem Ratschluss seines Willens;
damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben,
die wir zuvor auf Christus gehofft haben.
In ihm seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt,
nämlich das Evangelium von eurer Rettung –
in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet,
versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist,
welcher ist das Unterpfand unsres Erbes,
zu unsrer Erlösung,
dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.

Ein einziger Satz nur.
Ein einziger schier endloser Satz, in den der Verfasser alles, aber auch wirklich alles hineinlegt, was in ihm ist.
Es quillt förmlich aus ihm heraus.
So voll ist er vom Lob Gottes, dass er die Schreibfeder kaum einbremsen kann.

Eine Hymne, eine Lobeshymne auf Gott:
Gott ist so groß - seine Liebe zu uns ist so unermesslich.
Das kann man eher besingen als mit Worten beschreiben.
Und so ist dieser Text auch eher wie Musik zu hören.
Musik, die nicht zuerst den Verstand erreicht, sondern das Gefühl.

Der Text will nicht argumentieren, sondern ergreifen.
Eine unermessliche Fülle, fast rauschhaft vorgetragen.
Ein Strudel von Wörtern, der alles und alle mitreißen soll (Hermelink).

Ja, mag sein, darunter leidet die Verständlichkeit.
Wer alle Worte dieses Textes einzeln sezieren möchte,
wer nach Aufbau und Struktur dieses Textes fragt,
wird nur wenig befriedigende Antworten finden.

Aber darum geht es hier auch gar nicht so sehr.
Mich ergreift Bachs Weihnachtsoratorium auch dann, wenn ich seine musikalische Struktur nicht bis in’s Letzte verstehe.
Wenn die Trompeten einsetzen, geht mir ein Schauer über den Rücken. Ich spüre etwas von dem, was mich umgibt und was größer ist als ich. Was mich tröstet und mir Hoffnung gibt.
Und einen solchen heiligen Schauer will der Anfang des Epheserbriefs auslösen.
Trompetenstöße aus Worten, sozusagen.

Dieser Anfang setzt den Ton für den ganzen Brief:
Alles, wirklich alles, was Euch bewegt, Eure Freude und eure Sorgen, eure Hoffnungen und eure Ängste, euer Jubeln und euer Klagen, alles, wirklich alles liegt in der Hand Gottes, ist bei ihm aufgehoben.

Und dieser Gott hat aus unerfindlichen Gründen beschlossen, euch zu lieben.
Schon immer, vor aller Zeit.
Und dann sichtbar, in Jesus Christus, dem Bild der Liebe schlechthin.
Und auch jetzt noch, indem er euch seinen Geist schickt.

Vielleicht kann man von dieser unfassbar grundlosen und großen Liebe tatsächlich besser singen als sprechen.
Im Singen liegt Überschwang, jedenfalls dann, wenn man nicht zaghaft Ton um Ton suchen muss.
Wenn man sich mitreißen lässt von Rhythmus und Melodie,
dann kann man in den Gesang alles hineinlegen.

Steigt mal für ein paar Momente aus aus eurem Alltag,
lasst euch ergreifen, lasst euch mitreißen vom Lob Gottes,
lobt den Gott, dem Ihr alles verdankt, sagt der Epheserbrief.

In euren Alltag zurück kommt ihr noch früh genug.
Aber nehmt das mit, was ihr hier erlebt habt:
Die Erfahrung, dass Gott größer ist als alle Sorgen, die Ihr Euch jetzt gerade macht.
Er wird alles zu einem guten Ende führen.

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.

Vater, Sohn und Heiliger Geist: Der Anfang des Epheserbriefs ist nicht zufällig für den heutigen Sonntag Trinitatis ausgewählt. In immer neuen Anläufen und mit Worten, die die ganze Welt umspannen, beschreibt er, wie Gott ist.
Und sagt, wie wir auf Gott antworten sollen: Mit Lob.

Die Trinitätslehre oder Dreieinigkeitslehre hat es ja nicht so ganz leicht bei uns.
Sie gilt als kompliziert - und sie ist es ja auch.
Jedenfalls dann, wenn man sie in ihre Verästelungen verfolgen will.
Die Beschäftigung kann Spaß machen und ist ein durchaus anregendes Gedankenspiel.
Darüber darf aber nicht ihr eigentlicher Kern verloren gehen.
Eigentlich will sie von Gott nur so sprechen, dass er immer etwas mit uns Menschen zu tun hat.

Wir glauben an einen Gott, der es allein im Himmel nicht aushält.
Wir glauben an einen Gott, der sich ohne Rückhalt,
ohne auf seine Majestät zu achten,
ohne sich vor dem Schmutz und der Schuld zu fürchten,
mit denen wir Menschen behaftet sind -
wir glauben an einen Gott, der sich ganz auf uns Menschen einlässt.

Wir glauben an einen Gott, der nicht nur in der Vergangenheit an uns Menschen interessiert war,
der nicht irgendwann einmal die Welt erschaffen und ihr dann den Rücken zugekehrt hat,
oder der gelangweilt mit der Welt spielt, so wie ein Kind mit einem Stock in einem Ameisenhaufen wühlt und da große Verwirrung stiftet.

Nein, im Gegenteil:
Wir glauben an Gott, der uns geschaffen hat,
der als Mensch auf die Welt gekommen ist,
und der immer noch und immer wieder da ist,
wenn wir uns an ihn wenden - aber auch selbst dann, wenn wir uns ihm ganz fern fühlen.

Dieser eine Gott fächert sich in drei Personen auf,
Er ist Vater, Sohn und Heiliger Geist,
weil er uns begegnen will. Weil wir ihm wichtig sind.
Nicht weil er es gerade mal Lust auf uns hat - und er diese Lust irgendwann vielleicht mal wieder verlieren könnte.
Sondern weil Gott Gott ist, und diese Beziehung zu uns zu seinem Wesen gehört,

Der Gott, an den wir glauben, ist kein einsamer Despot, der im Himmel sitzt,
uns Menschen von seiner sicheren Wolke aus zuschaut,
der die Unglücke und die Nöte und das Leid
an sich abprallen ließe.

Nein: Gott ist lebendig,
Gott liebt, Gott ist zornig, Gott ist barmherzig.
Nur eins ist Gott nicht:
Uninteressiert, unberührbar, uns Menschen überdrüssig.

Nur so kann ich mir den Gott, an den ich glaube, vorstellen:
Gott ist lebendig - und er will eine starke Beziehung mit uns.
Das ist das eine, was die Trinitätslehre ausdrücken will.

Das andere ist:
Gott umfängt unser Leben ganz.
Nichts und niemand kann aus der Beziehung Gottes herausfallen.
Denn er hat versprochen, so sagt es der Epheserbrief:
wenn die Zeit erfüllt wäre,
dass alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.

Gott ist im herrlichsten Sonnenuntergang genauso wie an jedem Sterbebett.
Gott kennt uns vor unserer Geburt - und er geht uns nach unserem Tod mit offenen Armen entgegen.
Er ist da, wo Menschen sich lieben, wo sie Freundschaften finden - genauso wie bei den vielen, die unter ihrer Einsamkeit leiden.
Er ist bei denen, die beten genauso wie bei denen, die keine Worte mehr finden.

Das ist das Wunderbare: Nichts kann uns trennen von diesem Gott, der sich mit Haut und Haaren, als Vater und als Sohn und als Heiliger Geist ganz auf uns eingelassen hat.

Wie man das merkt?
Manchmal gar nicht.
Manchmal ist dieser Glaube, den der Epheserbrief so euphorisch beschreibt, weit weg.
Manchmal spüre ich nichts von dieser Euphorie, nichts von diesem Trost, nichts von dieser Hoffnung.
Wenn ich sehe, was mit unserer Welt geschieht, wie wir Menschen miteinander und gegeneinander streiten, wie wir mit unserer Erde umgehen, dann bekomme ich schon sehr große Zweifel, ob Gott wirklich bei uns ist.

Wenn ich all den Hass sehe, mit dem sich Menschen überschütten, wenn ich sehe, wie gleichgültig Menschen sein können, wenn andere leiden, dann habe ich das Gefühl, wir sind nicht nur von allen guten Geistern verlassen, sondern vor allem von Gottes Heiligem Geist.

Und trotzdem mag ich die Hoffnung nicht aufgeben.
Ich denke mir: So wie mir ging’s den Menschen zu allen Zeiten.
Hass, Gleichgültigkeit, Spaltung, Krieg, Not Elend, Schmerz: Die gibt’s ja nicht erst seit heute.
Und die Menschen haben trotzdem ihren Glauben nicht verloren.

Gerade in diesen Tagen denken wir an den Anfang des 30jährigen Krieges vor genau 400 Jahren.
Selbst die unfassbaren Grausamkeiten dieses Völkergemetzels haben die Menschen nicht abgehalten, ihren Gott zu loben.
Paul Gerhardt etwa war doch eigentlich geprägt vom 30jährigen Krieg.
Und dennoch ist er in der Lage, Lieder wie „Geh aus mein Herz und suche Freud“ zu dichten.
Lieder, die Gott in den höchsten Tönen loben.
Die Menschen haben eben zu allen Zeiten Lieder gesungen wie das am Anfang des Epheserbriefs.
Sie haben Gott gelobt, auch wenn’s schwer fiel.
Auch dann, wenn sie dafür kaum Worte finden konnten.

Vielleicht ist es das, was bei mir von diesem Predigttext bleibt:
Das Geheimnis von Gottes Beziehung zu uns ist seine grundlose Liebe zu allen seinen Menschen.
Und unsere Antwort auf diese Liebe ist das Loben.

Loben stärkt Vertrauen.
Loben kann man üben - dann hat man auch in schlechten Zeiten Worte dafür.

Wer lobt, denkt nicht an sich - sondern an den anderen.
Wer Gott lobt, richtet seinen Blick von sich weg auf Gott - und auf die Menschen, die Gott genauso gibt wie ihn selbst.

Gott loben schließt niemanden aus.
Im Gegenteil: Im Loben rücken wir Menschen zusammen und merken, dass wir seine Kinder sind. Und dass alle Menschen dadurch Geschwister sind.
Über die Grenzen von Kirchengemeinden hinaus,
über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinaus.
Und sogar über die Grenzen von Religionen hinaus.
Denn wer Gott lobt, kann nicht eifersüchtig auf die anderen sein.
Wer lobt, der hofft darauf, dass die Liebe Gottes allen Menschen gilt,
damit einmal alles zusammengefasst wird in Christus, was im Himmel und auf Erden ist.

Und der Friede Gottes ist höher als alle menschliche Vernunft.
Er segne unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.