Ostern in zwei Worten | nikolaushueck blog

Ostern in zwei Worten

Predigt am Ostersonntag zu Joh 20,11-18

Eintrag vom

Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte.
Als sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte.
Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du?
Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen,
und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.
Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du?
Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm:
Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir: Wo hast du ihn hingelegt? Dann will ich ihn holen.
Spricht Jesus zu ihr: Maria!
Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!
Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater.
Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.
Maria Magdalena geht und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn gesehen«, und was er zu ihr gesagt habe.

Es ist eine ganz besondere Ostergeschichte, die von Johannes erzählt wird.
Eine Ostergeschichte, die mich persönlich sehr anrührt.
Sie ist so anders als die anderen Erzählungen von der Auferstehung Jesu.

Bei Matthäus kündigt ein großes Erdbeben die Auferstehung an.
Ein Engel, leuchtend wie ein Blitz und in einem Gewand, weiß wie der Schnee.
Er verkündet den Frauen, dass Jesus nicht hier, dass er auferstanden ist.

Auch in den anderen Evangelien ist es schon hell, als die Frauen zum Grab kommen.
Die Sonne beleuchtet das leere Grab.
Die Szenen sind licht und klar,
die Auferstehung Jesu kommt mit Macht, mit einem Paukenschlag
Missverständnisse sind ausgeschlossen.

Bei Johannes ist das ganz anders.
Es ist noch früh, und es ist noch dunkel draußen.
Ich stelle mir vor, wie Maria Magdalena sich vortastet.
Sie ist durch die ganze Stadt gelaufen,
durch die Gassen Jerusalems, weil sie es nicht ausgehalten hat.
Sie will zum Grab, dorthin, wo ihr Meister, ihr Lehrer, ihr Freund nun liegt, wo sie ihn vermutet.

Der, der sie damals geheilt hat von der schrecklichen Krankheit,
dem sie so viel zu verdanken hatte:
Er hat ihr ein ganz neues Leben geschenkt.
Eine ganz neue Hoffnung. Und große Liebe.
Und jetzt: Jetzt scheint es, als ob alles vorbei ist.
Als ob das alles gestorben und begraben ist mit Jesus.

Sie kämpft sich vor zu diesem Grab, durch die Dunkelheit,
sie kämpft sich vor zu dem, den sie auf keinen Fall loslassen,
den sie um keinen Preis ziehen lassen möchte.
In ihren Augen stehen Tränen.
Unendlich viel hat sie geweint in diesen beiden letzten Tagen.
Und immer neue Tränen schießen ihr in die Augen.

Und nun blickt sie durch den dichten Tränenvorhang in das Grab.
Viel kann sie nicht erkennen.
Aber das eine sieht sie: Das Grab ist leer.
Nicht auch das noch! Sie können ihr doch nicht auch noch seinen Leichnam wegnehmen!

Von den beiden Gestalten, die am Kopf- und Fußende des Grabes sitzen, ist nichts zu erfahren.
Da dreht sie sich um.
Ein Dritter steht dort, auch ihn kann sie kaum erkennen.

Erst hält sie ihn für den Gärtner.
Aber dann sagt er ihren Namen: „Maria“.
Da erkennt sie ihn.
Nicht mit dem Verstand. Aber mit dem Herzen.
Ihr Herz macht einen Hüpfer.
Diese Stimme vergisst sie nie.

Es ist der, den sie gesucht hat, um den sie getrauert hat.
„Rabbuni“ - „Meister“ antwortet sie.
So hat sie ihn früher immer genannt.
Mehr kann sie im Augenblick gar nicht sagen.
Aber umarmen will sie ihn, festhalten, nie mehr loslassen.

Zwei Worte fallen. Nur zwei Worte.
Und in diesen beiden Worten ist die ganze Ostergeschichte enthalten.
Jesus spricht Maria mit ihrem Namen an. Ganz leise, zärtlich.
Und sie antwortet, ein bisschen unsicher noch,
aber voller Hoffnung. Im tiefsten Innern weiß sie: Er ist es.

Mich rührt diese Geschichte deshalb so an,
weil sie von einem ganz persönlichen Auferstehungserlebnis erzählt.
Es ist eine fast intime Geschichte.
Es geht um Schmerz und um Trauer.
Und es geht darum, wie sich Schmerz und Trauer lösen.
Wie daraus Hoffnung wird,
ja, schließlich überschäumende Freude.

Und das alles kommt auf leisen Sohlen.
Kein Erdbeben. Keine Blitze und keine Fanfaren.
Noch ist es dunkel, die Sonne kündigt sich erst an.
So erzählt Johannes von der Auferstehung.

Gott ist vorsichtig mit uns.
Gott ist zärtlich mit uns.
Er donnert uns nicht an,
Er überwältigt uns nicht.
Sondern spricht zu unseren Herzen:
„Maria“, sagt Jesus. Und sie antwortet ihm: „Rabbuni“
Das ist Ostern.
Es lässt uns viel Raum zum Glauben, zum Hoffen, zum Lieben und zum Leben.

Dazu gehört auch, dass Maria Jesus nicht festhalten kann.
Das wehrt er ab.
Jesus ist nicht mehr der, den sie bis ans Kreuz begleitet hat.
Der Tod am Kreuz war wirklich sein Tod.

Der Auferstandene, der nun vor ihr steht, ist ein anderer.
Es hat sich etwas verändert an ihm -
und mit ihm hat sich die ganze Welt verändert.
Das beginnt sie erst ganz allmählich zu begreifen.

Eigentlich fühlt sie es mehr, als dass ihr Verstand es ihr erklären kann.
Nicht zurück soll sie blicken. Nicht am Alten haften bleiben.
Vor ihr steht nicht ein wiederbelebter Körper.
Sondern der Auferstandene.

Es ist eben nicht so, dass das Alte irgendwie wiederkehrt.
Nein, hier ist etwas ganz Neues passiert.
Was geschehen ist an diesem Morgen - das verändert ihr Leben.
Und es verändert nicht nur ihres, sondern die ganze Welt.

Ja, ich glaube wirklich, dass seit Ostern nichts mehr so ist, wie es vorher war.
Aber ich glaube das gegen den Augenschein.
Man sieht sie nicht, diese Veränderung unserer Welt, und doch ist sie da.

Gott hat an Ostern nicht die äußere, die sichtbare Welt verändert.
Er hat die Welt der Politik, der Macht, der Wirtschaft,
diese Welt hat er nicht verändert.
Obwohl es dort an so vielen Stellen Veränderungen bräuchte.

Gott will mit Ostern etwas anderes tun,
vielleicht etwas viel Mächtigeres.
Er will unsere Herzen verändern.
Er lässt uns unsere Freiheit.
Aber er gibt uns den Grund, das Fundament, dass wir uns verändern können.
Wer die Ostergeschichte von Maria Magdalena hört - dessen Herz wird berührt.
Wir fühlen uns verstanden in allem, was uns bewegt:
die Trauer, der Schmerz, die Angst, die Unsicherheit, die Einsamkeit.
Wir spüren aber auch die Hoffnung, die Erleichterung, das ganz Neue, das Maria widerfährt.

Maria erzählt sie weiter. Den anderen Jüngerinnen und Jüngern. Ihr Herz ist übervoll. Jetzt ist die Sonne aufgegangen, jetzt ist es Tag. Das Osterlicht scheint. Auf das leere Grab und in die vollen Herzen der Menschen.
Maria kann gar nicht ander, als zu erzählen, immer wieder und immer nochmal.
Und so hören auch wir diese Geschichte.
Und sie rührt auch uns an.
Nicht, weil man unserem Verstand irgendetwas beweist.
Sondern weil unser Herz es spürt:

Nichts ist so wie vorher.
Gott hat die Tür vom Tod zum Leben aufgestoßen
und für uns einen Raum geöffnet, in dem wir gemeinsam das neue Leben feiern können.
Ohne unsere Kräfte ganz allein für uns - und gegen den anderen einsetzen zu müssen.
Und ohne Furcht vor dem Tod.
Wir wissen, dass wir niemals aus der Beziehung zu Gott herausfallen können.

Er, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat,
wird auch uns einmal bergen
und in seiner warmen, gütigen Hand halten.
In diesem ganz neuen Osterglauben wollen wir leben.

Und in diesen Osterglauben hinein taufen wir heute die kleine Nele.
Wir tun das, weil wir ihr ein Leben im Lichte Gottes wünschen.
So wie Gott es auf dieser Welt an Ostern angezündet hat.
Wir wünschen uns und wir wünschen ihr,
dass sie das ihr Leben lang spüren kann:
Gott kann etwas ganz Neues machen.

Diese Wahrheit ist zu hoch für unseren Verstand.
Aber unser Herz kann sie vielleicht erahnen.

Und wenn unser Herz auch nur einen Funken auffängt von Gottes Osterlicht, dann macht das unser Leben hell,
an diesem Ostermorgen und auch dann einmal,
wenn wir mit unseren Augen sonst nur noch Dunkelheit erkennen können.

Jesus lebt – Gott hat ihn auferweckt – er hat uns erlöst.
Wenn wir darüber nicht jubeln an diesem Morgen – über was dann?
Wenn das nicht unser Leben verändert – was dann?

Und der Friede Gottes,
der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus,
Amen.