Angst und Hass, Hoffnung und Liebe | nikolaushueck blog

Angst und Hass, Hoffnung und Liebe

Predigt am 1. Advent zu Röm 13,8-12

Eintrag vom

Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt;
denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt.
Denn was da gesagt ist: "Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren", und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3. Mose 19,18): "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."
Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.
So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.

Und das tut, weil ihr die Zeit erkannt habt,
dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf,
denn unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden.
Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen.
So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.

„Unser Heil ist jetzt näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden“.
Was für ein Satz!
Was für ein vertrauensvoller und hoffnungsvoller Satz!

Paulus und mit ihm alle Christen dieser ersten Zeit:
Sie alle hatten dieses große Vertrauen.
Diese große Hoffnung:
Dass es nicht mehr lange dauert, bis Jesus Christus kommt.

Bis er zurückkommt, um diese Welt zu verändern.
Um die alte Welt, wie wir sie kennen, abzulösen durch eine neue Welt.
Eine neue Welt, in der Gottes Wille gilt.
Eine Welt, in der die Mächtigen in die Schranken gewiesen werden.
In der die Armen ihre Armut hinter sich lassen.
Eine Welt ohne Hunger, ohne Elend, ohne Kriege und ohne Katastrophen.

Davon hatte Jesus doch gesprochen: Das Himmelreich ist nahe.
Und darauf warteten sie jetzt.
Mit großer Hoffnung und mit frommer Ungeduld.

Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen,
schreibt Paulus.
Seht, es wird schon hell, heißt das.
Das Schlimmste haben wir hinter uns.
Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis ER wiederkommt:
Jesus Christus - so wie er es uns versprochen hat.

Und dann ordnet er die Welt so, wie sie eigentlich gehört.
Bereitet Euch schon jetzt darauf vor, rät er der römischen Gemeinde.

Bereitet Euch auf seine Ankunft vor
und lebt jetzt schon so, wie es sich für Sehnsüchtige und für Hoffende gehört.

Paulus legt seine ganze Leidenschaft, seinen ganzen Glauben, seine ganzes Gottvertrauen in diese Worte.
Es geht ihm um die Hoffnung.
Und es geht ihm um die Liebe:
Schenkt Euch gegenseitig Liebe, sagt er,
so bereitet Ihr dem Herrn den Weg für seine Ankunft.

Und wir - 2000 Jahre später - wie hören wir diese Worte?
Wie hören wir diese Leidenschaft?
Wie hören wir diese Hoffnung, dass Jesus kommt, dass er wiederkommt?

Eins steht fest: Das Ereignis, von dem Paulus spricht, ist nicht eingetreten.
Jedenfalls noch nicht.
Jedenfalls nicht so, wie Paulus und die ersten Christen es erhofft haben.

Keine göttliche Weltrevolution.
Wir leben nach wie vor in der Alten Welt - die neue lässt immer noch auf sich warten.
Immer noch quälen sich Menschen.
Immer noch schikanieren die einen die anderen.
Immer noch gibt es tausend Gründe, warum wir eine neue Welt herbeisehnen.
Dringend.
Es geht uns heute immer noch so wie Paulus und wie der Gemeinde in Rom.
Wir merken, wie sich die Welt verändert.
Wir merken, wie sich vieles um uns herum auflöst.
Was wir gewohnt waren, gilt nicht mehr so richtig.
Und mit dem Neuen haben wir noch kaum Erfahrungen.

Aber damals hat man das als Vorzeichen für eine gute Zukunft gedeutet.
Für eine Zukunft im Licht Gottes.

Heute macht es uns eher Angst statt Hoffnung,
wenn die Welt sich immer schneller verändert.

Wenn wir hier eine kleine Umfrage machen würden,
- unter uns hier im Gottesdienst, oder unter den Leuten, die draußen vorbeigehen -
Wer, meinen Sie, würde die Mehrheit haben:

Die, die sagen:
Uns steht eine gute Zukunft bevor, die Dinge ändern sich zum Besseren. Vielleicht nicht alles, aber doch das meiste und das wichtigste wird besser. Würden die in der Mehrheit sein?

Oder doch die anderen, die sagen:
Früher war es tendenziell besser.
Die Zeiten werden unsicherer.
Die Zukunftsaussichten sind trüb.

Was glauben Sie, welche Gruppe wäre in der Mehrheit?
Und vor allem: Wozu würden Sie sich selbst zählen?

Ja, es stimmt schon:
Es gibt schrecklich viele Gründe, warum wir mit Sorgen in die Zukunft blicken.

Die Erhitzung der Erde und ihre Folgen sind da nur ein Grund, wenn auch vielleicht ein besonders bedrohlicher.
Die zunehmende Bewaffnung und internationale Spannungen.
Die Verrohung des Umgangs miteinander und die Spaltung der Gesellschaften durch Populismus:

Es hilft nichts, darum herum zu reden.
Es hilft auch nichts, einfach abzuwarten, bis diese Dinge sich von selbst erledigen.
Gerade wenn wir, wie Paulus es sagt, die Zeit erkennen sollen.

Und auf der anderen Seite gibt es auch so viel Gutes,
so vieles, was sich schon zum Besseren gewendet hat.
Die extreme Armut und der Hunger auf der Welt werden weniger.
Kindersterblichkeit weltweit hat sich extrem verringert.
Schulbildung, Bildung überhaupt, Alphabetisierung: Das alles steigt, wird besser.
Aber wir sehen es kaum.
Wir sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange und richten unseren Blick auf die Gefahr.

Die Zeit erkennen, wie Paulus es schreibt.
Das heißt: einen nüchternen Blick auf die Welt werfen.
Nichts beschönigen.
Aber auch nichts dramatisieren.
Und dann das tun, was notwendig ist.
Mit Liebe und Hoffnung, nicht mit Angst.

Ich glaube, jetzt sind wir genau an dem Punkt, um den es in unserem Predigttext geht.
Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe herbeigekommen.

Das ist die Stimme der Hoffnung in all der Zukunftsangst.
Paulus will Mut machen, will Kräfte wecken.
Er will den Christen in Rom sagen:
Was auf Euch zukommt, das ist nicht die Dunkelheit.
Das ist das Licht.

Es geht nicht darum, wann genau Christus wiederkommt.
Das wusste weder Paulus damals, noch wissen wir es heute.
Es geht eher darum, jeden Tag so zu leben, als ob er morgen zurückkommen könnte.
Mit dieser Hoffnung, mit diesem Gottvertrauen jeden einzelnen Tag zu beginnen.
Auch wenn uns das manchmal leichter, und, ja, auch manchmal schwerer fällt.

Schaut nicht dauernd zurück.
Und meint nicht immer, dass früher alles besser war.
Nein, früher waren wir vom Heil weiter entfernt, als wir es heute sind.
Und wenn ihr nach vorne schaut, auf das, was uns erwartet,
dann legt eure Stirn nicht andauernd in Sorgenfalten,
sondern vertraut auf den, der uns versprochen hat:
Ich werde wiederkommen und die Welt neu machen.

Denn aus Zukunftsangst wächst niemals etwas Gutes.
Wer sich immer nur Angst hat, der wird kaum mit seinen Mitmenschen in Frieden leben.
Der wird um sich treten, weil er überall nur Konkurrenten und Feinde sieht.
Aus Angst wird letztlich Hass.

Liebe aber kommt durch die Hoffnung.
Ich glaube, das ist es, was Paulus den Christen damals in Rom und den Christen zu allen Zeiten auf der ganzen Welt sagen will:

Wenn Ihr wirklich die Zeit erkennt,
dann ist es die Hoffnung, die Euer Leben bestimmt.
Weil Gott diese Zeit in seinen Händen hält und sie am Ende in etwas Gutes verwandelt.

Und wer hofft, wer wirklich für sich und für sein Umfeld, für die ganze Welt hofft und auf Gott vertraut, der kann nicht anders als lieben.

So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.
Vielleicht ist das ein guter Vorsatz für diesen Advent.
Wenn eine Kerze nach der anderen angezündet wird
und am Schluss ein ganzer Baum voll Kerzen leuchtet.
Dann können wir uns anstecken lassen von Paulus.
Von seiner Sicht der Dinge, von seiner Hoffnung.
Dass nämlich die Welt nicht immer dunkler wird,
sondern am Ende doch heller.

Dass wir auf eine Zukunft zugehen, die Gott gemacht hat.
Wir neigen dazu, das Schlechte groß zu machen.
Und das Gute unter den Tisch fallen zu lassen.
Und dann bestimmt die Dunkelheit unser Leben.
Sie gewinnt Raum in unseren Köpfen und Herzen.

Der Glaube aber, von dem Paulus spricht, ist genau das Gegenteil.
Paulus will die Dunkelheit aus den Köpfen und Herzen wieder herauskriegen.
Er will stattdessen Hoffnung säen.
Hoffnung und Liebe.

Beides, Hoffnung und Liebe, sind die Waffen des Lichts, von denen Paulus spricht.
Sie helfen uns gegen die innere Angst.
Sie machen das Leben heller.
Unser Leben. Das Leben derjenigen, die uns nahe sind.
Mit denen wir in den nächsten Wochen um den Adventskranz sitzen.
Aber dann auch das Leben aller.

Denn die Liebe tut niemandem etwas Böses.
Nicht dem Nächsten. Aber auch nicht den Fernen.
Keinem Geschöpf tut die Liebe etwas Böses.
In der Liebe, wie sie Gott uns geschenkt hat, leiden wir mit dieser Welt mit,
aber ohne zu verzweifeln, ohne die Hoffnung zu verlieren.
Denn unsere Hoffnung bleibt,
dass die Nacht vergeht und der Tag kommt.
Weil Gott kommt. Diesmal endgültig.

Darauf warten wir, nicht nur in diesem Advent.
Darauf warten und hoffen wir in unserem ganzen Leben.
Jeden Tag.
Amen.

Und der Friede Gottes,
der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus,
Amen.