Sara und der Gipfeljuchzer | nikolaushueck blog

Sara und der Gipfeljuchzer

Predigt zu Genesis 18,1-2.9-15

Eintrag vom

Der HERR erschien Abraham im Hain Mamre,
während er an der Tür seines Zeltes saß,
als der Tag am heißesten war.
Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe,
da standen drei Männer vor ihm.
Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde

Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau?
Er antwortete: Drinnen im Zelt.
Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr;
siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben.
Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes.
Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt,
sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise.
Darum lachte sie bei sich selbst und sprach:
Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren,
und auch mein Herr ist alt!

Da sprach der HERR zu Abraham:
Warum lacht Sara und spricht:
Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin?
Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein?
Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben.
Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich.
Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

Es ist heute so etwas wie ein Gipfeltreffen.
An diesem Vierten Advent treffen sich hier in den Texten unseres Gottesdienstes zwei Personen, zwei Frauen:
Die eine ist Maria, die Mutter Jesu.
Wir haben von ihr vorhin im Evangelium gehört.
Und jetzt, in unserem Predigttext, jetzt geht es um Sara.
Wenn Abraham der Erzvater ist, dann ist Sara die Erzmutter Israels.

Von beiden Frauen hören wir in den Texten heute.
Beide stehen an einer entscheidenden Station ihres Lebens:
Beide erfahren, dass sie ein Kind bekommen sollen.
Beide erfahren es auf übernatürliche Weise:
Maria erfährt es vom Engel Gabriel.
Und Sara von Gott, der in drei geheimnisvollen Männern zu Besuch kommt.

Das wichtigste aber ist:
Beide sind völlig überrascht.
Sie erschrecken fast, sind überwältigt, können erst einmal gar nicht fassen, was sie da hören.
Sie sollen ein Kind bekommen?
Maria, die "noch von keinem Mann weiß"?
Und Sara, die - genauso wie ihr Mann - "alt und hochbetagt" ist?
Die eine viel zu jung, die andere viel zu alt.
Es ist klar, dass sie ersteinmal große Zweifel haben.

Und noch etwas verbindet die beiden Geschichten:
Es ist die Antwort auf diese ja völlig berechtigten Zweifel der beiden Frauen.
"Bei Gott ist kein Ding unmöglich" sagt Gabriel zu Maria.
Und der geheimnisvolle Besuch fragt Sara: "Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?"

Für mich ist das der Kern der beiden Texte:
Gott kann das scheinbar Unmögliche möglich machen.
Wo wir Menschen mit unserem Kopf an Grenzen stoßen,
da ist für Gott noch lange nicht Schluss.
Im Gegenteil: Gott kann etwas völlig Neues anfangen.

Wo wir keinen Ausweg sehen, da hat Gott Möglichkeiten,
von denen wir noch nicht einmal zu träumen wagen.

Das sagen diese beiden Texte.
Und deswegen lesen wir sie heute, an diesem 4. Advent.
In diesem Gottesdienst kurz vor Weihnachten und mitten in dieser schwierigen Zeit.
Beide Texte haben Generationen von Menschen vor uns Hoffnung und immer wieder neuen Lebensmut gegeben.
Vielleicht können ja auch wir daraus eine Portion Hoffnung mitnehmen.

Schauen wir also genauer auf unseren Predigttext.

Abraham und Sara haben ein langes Leben hinter sich.
Mit einigem Auf und Ab.
Gott hatte ihnen so viel versprochen:
ein weites Land und viele, viele Nachkommen.
Aber beides lässt auf sich warten.
Nun sind sie alt, sehr alt sogar.
Viel erwarten sie nicht mehr.
Was soll schon noch kommen, wenn man die besten Zeiten seines Lebens hinter sich hat?

Was kommt, sind zunächst drei Männer.
So ganz genau wird es nicht beschrieben, wer die drei Männer sind.
Aber es ist klar, dass sie kein gewöhnlicher, sondern ein göttlicher Besuch sind.

Abraham nimmt die drei als Gäste auf.
Aber bevor ein normales, höfliches Gespräch über dies oder das beginnen könnte, da kommt Gott direkt zur Sache:
Ihr werdet ein Kind bekommen, sagt er ein wenig unvermittelt.
Sara wird einen Sohn gebären.
Heute in einem Jahr komme ich wieder und dann seid Ihr schon zu dritt.

Abraham ist erstmal sprachlos.
Was er denkt und sagt, wird jedenfalls nicht erzählt.
Männer sind in diesen Dingen vielleicht auch manchmal etwas unbeholfen.

Aber Sara, die eigentlich gar nicht dabei ist, sondern hinter der Zeltplane lauscht -
Sara merkt sofort, wie unmöglich, wie unwahrscheinlich, wie unverhofft das ist, was Gott sagt.
Sie, die uralte Frau, soll ein Kind von ihrem noch viel älteren Mann bekommen?
Sie kann nicht anders: Sie bricht in Lachen aus.

Gott verspricht etwas ganz Großes - und Sara lacht.
Ich habe mir versucht vorzustellen, wie dieses Lachen wohl geklungen haben mag.
War es das zynische Lachen einer vom Leben enttäuschten Frau, die verbittert ist und nichts mehr glauben kann und will?

War es ein spöttisches Lachen?: Red Du nur, ich weiß schon, was möglich und unmöglich ist.
War es ein etwas ungläubiges Lachen, aber doch vorsichtig hoffnungsvoll?
War es ein überraschtes Lachen, ein staunendes, bereit, das Verrückteste zu akzeptieren?
War es laut, war es leise in sich hinein?

Jedenfalls hört Gott dieses Lachen- und er fragt Sara ganz direkt: Warum lachst Du?
Man hat diese Frage immer als Tadel verstanden.
Als Missbilligung.
Wenn Gott etwas sagt, bleibt dem Menschen doch nur das Ja und Amen! Auf keinen Fall aber Gelächter.
Maria etwa. Sie sagt: "Siehe ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast."
Sie wird damit für alle Zeiten zum Vorbild eines unbedingten Glaubens.

Aber Sara ist anders, heißt es, sie lacht - und eigentlich kann man das doch nur tadeln und missbilligen.

Ich verstehe die Geschichte trotzdem ganz anders.
Ich glaube: Sara ist gar nicht so verschieden von Maria.
Auch sie vertraut auf das, was Gott ihr verspricht.
Genau deswegen lacht sie.
Und Gott hat ganz gut verstanden, warum Sara lacht.
Er tadelt und missbilligt es auch nicht.

Ich glaube, Gott sagt so etwas wie:
Ja, Du hast gelacht, natürlich hast Du gelacht.
Das, was ich Dir verspreche, das ist so unglaublich,
so unwahrscheinlich, so überraschend, so neu, so verrückt,
dass Du gar nicht anders kannst als lachen.

Ja, vielleicht ist in Saras Lachen auch eine Portion Trotz.
Klar, ich bin alt und mein Mann auch.
Aber was kann mir das schon: Gott ist mit mir und sorgt für mich.
Und wenn Gott mir etwas verspricht, dann hält er das auch,
trotz meines biblischen Alters, trotz allem, was die anderen sagen.
All das steckt für mich im Lachen Saras.

Übrigens: Der Name des Sohnes, den Sara dann geboren hat, ist Isaak.
Und das heißt übersetzt nichts anderes als - genau: Lachen.
Im Lachen, im hoffnungsvollen Lachen liegt das Neue, liegt das Leben, liegt die Hoffnung, liegt die Zukunft.

Und wir?
Ein paar tausend Jahre später kurz vor Weihnachten, in einem Corona-gebeutelten Land?
Was glauben wir? Was hoffen wir?
Und vor allem: Von wem lassen wir uns noch zu einem hoffnungsvollen oder gar zu einem trotzigen Lachen bringen?
Von wem lassen wir uns überraschen?

Viele haben abgeschlossen mit diesem Jahr, mit dieser Zeit.
Viele haben sich selbst abgeschlossen gegenüber dem, was es an Neuem und an Hoffnungsvollem geben könnte.
Die Zahlen der Corona-Infizierten und ganz besonders der Corona-Toten lähmen uns.
Ja, irgendwie wird es auch dieses Jahr ein Weihnachtsfest geben, schon klar.
Wir bemühen uns, die alten Traditionen aufrecht zu erhalten.
Aber was sollen wir schon groß davon erwarten.
Wirklich feiern dürfen wir ja nicht.
So reden wir, und - ehrlich gesagt - so verfehlen wir den Sinn von Weihnachten.

Weihnachten ist doch gerade ein Fest für die Dunkelheit.
Es ist ein Fest für das Volk, das im Finstern wandert.
Es liegt nicht zufällig mitten im Winter.
Und es macht nicht zufällig die Nacht mit Kerzen hell.

Weihnachten ist ein Fest, das in uns den Trotz anstacheln will.
Den Trotz gegen die widrigen Umstände.
Den Trotz gegen alles, was uns klein und arm und alt macht.
Den Trotz gegen die Einsamkeit.
Den Trotz gegen die Hilflosigkeit.
Den Trotz gegen die Lieblosigkeit.

Gott kommt nicht auf die Erde, damit alles bleibt, wie es ist.
Er will unsere Welt ändern. Er will uns verändern.
Und dazu braucht er uns.
Er braucht unser Lachen, das hoffnungsvolle, das trotzige, das liebevolle.
Das Lachen, das sich überwältigen lässt von Gott,
das sich überraschen lässt von Gott,
weil wir ihm zutrauen, unsere Welt zu verändern -
und vor allem: uns zu verändern.

Jetzt, am Vierten Advent, ist es höchste Zeit, dass wir uns darauf vorbereiten.
Dass wir bereit dafür werden, dass Gott mit uns etwas völlig Neues anfangen will.
Trotz Corona - und trotz allem, was uns derzeit so stark beschäftigt.

Vielleicht war Saras Lachen ja eher so etwas wie ein Jauchzen.
So wie Menschen jauchzen, wenn sie sich vor Freude gar nicht mehr im Zaum halten können.
Oder wenn sie auf einem Berg stehen und der überwältigende Ausblick sie zu einem Gipfeljuchzer zwingt.

Nun jauchzet all ihr Frommen.
So heißt das nächste Lied, das wir - nicht mit dem Mund, aber - mit dem Herzen mitsingen.
Und ja, genau so wird die Stimmung sein, wenn wir wirklich glauben,
dass Gott an Weihnachten auf diese Welt gekommen ist.
Amen.

(Übrigens, immer noch und immer wieder sehr zu empfehlen - und auch für diese Predigt sehr hilfreich: Alexander Deeg/Andreas Schüle: Die neuen alttestamentlichen Perikopentexte, Leipzig: EVA, 2018)