Vom Kopfschütteln | nikolaushueck blog

Vom Kopfschütteln

Meine Predigt zu Lukas 17,5f

Eintrag vom

Unser Predigttext für heute ist ziemlich kurz.
Und ziemlich schräg.
Und verblüffend.
Er stößt vor den Kopf.
Und das ist Absicht, glaube ich.

Unser Predigttext ist eine Bitte und eine Antwort.
Die Bitte kommt von den Aposteln.
Und die Antwort gibt Jesus.

Beides hat eine Vorgeschichte.
Jesus hatte seinen Aposteln eingeschärft, was sie tun sollen, wenn sie glauben.
Sie sollen sich nicht verführen lassen, hat Jesus gesagt.
Vor allem hat er ihnen gesagt, dass sie sich gegenseitig vergeben sollen.
Nicht einmal, nicht zweimal.
Sie sollen immer wieder vergeben.
Wenn's sein muss sieben Mal an einem Tag.

Das schien den Aposteln offenbar ziemlich schwer.
So oft vergeben. Immer wieder.,
Nicht ausrasten. Nicht sauer sein.
Sondern vergeben.

Die Apostel hatten Angst, dass sie das allein nicht schaffen würden.
Dass es für ein Leben mit so viel Vergebung eine Menge Glauben braucht.
Mehr Glauben, als sie in sich gespürt haben.

Und genau da setzt unser kurzer Text ein.
Ich lese aus dem Lukasevangelium, aus dem 17. Kapitel:

Die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!
Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!,
und er würde euch gehorsam sein.

Was, bitte, soll man mit einer solch merkwürdigen Antwort anfangen?
Die Bitte klingt doch eigentlich vernünftig.
Die Apostel haben begriffen, dass ihr Glauben nicht ausreicht.
Und sie haben auch begriffen, dass sie ihren Glauben nicht selbst machen können.
Glaube ist schließlich kein Leistungssport.
Bei dem man nur mehr und härter trainieren muss - und dann hat man ihn.

Glaube ist ein Geschenk.
Ein Geschenk, das von Gott kommt.
Das hatten die Apostel begriffen.
Und deshalb finde ich ihre Bitte durchaus vernünftig:
"Herr, stärke uns den Glauben".

Was ich weniger vernünftig finde, ist die Antwort, die Jesus gibt.
Das Bild mit dem Maulbeerbaum, der sich selbst ausreißt und im Meer wieder neu anpflanzt -
dieses Bild ist offensichtlich so absurd, dass man nur den Kopf schütteln kann.

Ein riesiger Baum mit dichtem Wurzelgeflecht.
Tief im Boden verankert.
Nicht mit Bärenkräften könnte man den ausreißen.
Und dafür soll ein Glaube, so winzig wie ein Senfkorn ausreichen?
Das ist offensichtlich Unsinn.

Das haben die Apostel sicher auch gemerkt.
Und ein bisschen vor den Kopf gestoßen werden sie sich auch gefühlt haben.
Denn offenbar traut ihnen Jesus kaum etwas zu.
Nicht einmal Glauben so groß wie ein Senfkorn.

"Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn", sagt Jesus und meint:
"Habt ihr aber nicht. Nicht einmal so einen winzigen Glauben habt ihr.
Und das den Aposteln, die alles stehen und liegen gelassen hatten, um ihn zu begleiten.
Die ihr bisheriges Leben für ihn aufgegeben hatten.
Und auf denen doch später einmal die ganze Last der Kirche und des Glaubens ruhen sollte.
Nicht so groß wie ein Senfkorn soll ihr Glaube sein -
ich als Apostel wäre vermutlich sauer geworden, wenn man mich so vor den Kopf gestoßen hätte.

Die Frage ist nur: Warum redet Jesus offensichtlichen Unsinn?
Und warum stößt er die Jünger so vor den Kopf?

Ich stelle mir Jesus vor, wenn er das sagt.
Sein Gesicht sieht nicht streng und nicht genervt und nicht frustriert aus.
Eher verschmitzt.
Ich glaube, er sagt das Wort von dem Maulbeerbaum mit einem leichten Augenzwinkern.
Denn Jesus will genau das: Die Apostel vor den Kopf stoßen.
Einmal kräftig an den Köpfen rütteln und schütteln.
So stelle ich mir das vor.

Und ich glaube, ihm wäre es auch ganz recht, wenn wir, die wir das heute lesen und hören, darüber auch ins Kopfschütteln kommen.

Denn wer den Kopf schüttelt, dessen Gedanken geraten in Bewegung.
Wenn wir den Kopf schütteln, dann sortieren sich unsere Gedanken im Kopf neu.
Wenn es gut geht, dann rütteln sich die Gedanken zurecht und wir sehen die Welt mit anderen Augen.
Probieren Sie's mal - ich finde, wir sollten alle viel öfter unsere Köpfe schütteln, um die Welt mit neuen Augen zu sehen.

Wobei: Es gibt verschiedene Arten des Kopfschüttelns.
Manche tun uns gut und manche nicht.

Wenn wir den Kopf über andere Leute schütteln, dann tut uns das meistens nicht gut.
Vielleicht kennen Sie das: Man schüttelt demonstrativ und genervt den Kopf.
Und man zeigt damit dem anderen, wie wenig man von ihm hält.
Man muss gar nichts sagen, man muss nicht offen kritisieren, man muss sich nicht angreifbar machen.
Mir schüttelt einfach nur den Kopf aus sicherer Entfernung.
Und bringt den anderen dadurch zur Weißglut.

Aber das hilft uns nicht und das hilft dem anderen nicht.
Aus diesem Schütteln kommt nichts Gutes.

Ganz anders ist es, wenn wir über uns selbst den Kopf schütteln.
Vielleicht mit einem leichten Lächeln um die Mundwinkel.
Dann will das Kopfschütteln so etwas sagen wie:
Meine Güte - jetzt ist mir das schon wieder passiert.
Diese Schusseligkeit. Diese Vergesslichkeit. Diese Rechthaberei.
Aber auch ich lern's noch.
Kopfschütteln über sich selbst ist meistens gutes Kopfschütteln.

Noch besser ist es, den Kopf vor Staunen zu schütteln.
Vor ungläubigem Staunen.
Wenn wir etwas Wunderbares hören und es so wunderbar ist, dass wir es kaum glauben können.

Vorhin im Evangelium haben wir gehört, dass Gott für uns sorgt.
Weil er für alle seine Geschöpfe sorgt.
Und wenn er die Vögel am Himmel und die Blumen auf der Wiese nicht vergisst,
wie könnte er dann auch nur einen oder eine von uns vergessen?

Gott sorgt für uns, besser als wir es selbst je könnten.
Das ist so ungewohnt und so unglaublich, dass uns erst mal nur Kopfschütteln bleibt.
Aber vielleicht ruckeln sich ja genau dadurch die Gedanken zurecht.
Und dann gerät unsere permanente Sorge um uns selbst ein bisschen in den Hintergrund.
Und unser Vertrauen auf Gott legt sich vielleicht ein wenig darüber und wird stärker.

Genau darum geht es doch beim Glauben:
Dass wir die Welt mit neuen Augen sehen.
Dass wir nicht immer auf das starren, wovor wir uns fürchten.
Was uns Sorgen macht.
Was uns runterzieht.
Wo wir Probleme sehen.

Sondern dass wir den Blick heben.
Dass wir uns trauen, auf andere Gedanken zu kommen.
Gedanken, die uns wirklich helfen.
Weil wir die Hilfe nicht von uns selbst erwarten.
Sondern von Gott.
Gott sieht in uns nicht die Summe aller Probleme, die wir haben.
Sondern die Menschen, die er geschaffen hat - und für die er sorgen will.

Das ist schwierig zu begreifen.
Vor allem dann, wenn das Vertrauen ins Leben und das Vertrauen in Gott gerade auf einem Tiefpunkt sind.
Aber genau das wäre Glauben:
Sich mit Vertrauen in jeden neuen Tag werfen.
Sich nicht irre machen lassen von allen Dingen, die uns klein machen wollen.
Alles so gut zu machen, wie wir können.
Und den Rest Gott zu überlassen.
Möglichst fröhlich.
Möglichst vertrauensvoll.
Möglichst hoffnungsvoll.

Das wäre Glauben.
Aber nicht einmal die Apostel hatten davon so viel wie ein Senfkorn groß ist.
Also rüttelt Jesus sanft und liebevoll an ihren Köpfen.
Sagt ihnen den Satz mit dem Maulbeerbaum, an dem sie ganz schön zu knabbern haben.
Und ruhig den Kopf schütteln dürfen.

Und in allem Kopfschütteln blitzt vielleicht ein wenig von diesem Glauben auf.
Die Welt muss nicht so sein, wie sie immer schon war.
Sie kann sich ändern. Sogar zum Guten.
Wir können uns ändern, weg von der Ängstlichkeit, hin zu mehr Vertrauen.
Und, ja, hin auch zu einem größeren Glauben.
Gott kann uns das schenken.
Und dann werfen wir unsere Sorgen auf ihn,
statt uns selbst damit zu quälen.

Das wäre so wundervoll, dass wir das Kopfschütteln der Menschen um uns herum leicht aushalten könnten.

Und der Friede Gottes,
der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus,
Amen.