Der Retter ist da? | nikolaushueck blog

Der Retter ist da?

Predigt zur Christvesper 2021

Eintrag vom

"Christ, der Retter ist da".
Man muss schon allen Mut zusammen nehmen, um das zu heute Abend singen.
Die Nachrichten, die Prognosen der Wissenschaftlerinnen sind wahrlich nicht gut.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht,
ich tue mich in diesen Tagen schwer mit dem Singen.
Selbst mit den Weihnachtsliedern, die ich so gern mag, tue ich mich schwer.

Aber manchmal muss man eben gegen die Wirklichkeit ansingen.
Manchmal muss man singen, obwohl einem eigentlich gar nicht danach zumute ist.

Jetzt, zu Weihnachten 2021, gibt es gefühlt nicht allzuviel,
das nach einer schnellen Rettung aussieht.
Ich will gar nicht alles aufzählen, was uns in diesen Tagen beschäftigt.
Aber es sieht nicht gut aus, nicht in der Pandemie, nicht mit dem Frieden in unserer Gesellschaft und auch nicht mit dem Frieden in der Welt.

Und da singen wir von Rettung.
Da singen wir vom holden Knaben im lockigen Haar.
Manche mögen uns das als Flucht auslegen.
Als Flucht vor der harten Wirklichkeit in den weihnachtlichen Kitsch.
Ich sehe das anders.

Ich glaube, dass Weihnachten auch eine Wirklichkeit ist.
Nicht weniger Wirklichkeit als alles das, was uns belastet.
Nicht weniger wirklich als die Sorgen, die wir uns machen.
Nicht weniger wirklich als der Hass, der uns spaltet.
Nicht weniger wirklich als unsere Erschöpfung am Ende dieses zweiten Pandemiejahres.
Nein, Weihnachten ist mindestens ebenso wirklich.
Weihnachten kann unser Leben mindestens genau so sehr bestimmen wie alles das Bedrohliche und Ermüdende, das wir zur Zeit erleben.

Wenn wir die Geburt Gottes als Mensch auf dieser Welt feiern,
dann ist das gerade nicht Flucht vor der Welt.
Wir zünden Kerzen an im Dunklen.
Wir singen, wenn andere krakeelen.
Wir stemmen uns gegen eine Wirklichkeit, die manchmal ziemlich finster ist.

Wir stemmen uns nicht deswegen dagegen,
weil wir sie nicht wahr haben wollten.
Wir stemmen uns dagegen, weil wir sie ändern wollen, diese Wirklichkeit
Nicht einfach hinnehmen, so wie sie ist.

Und das tun wir, das trauen wir uns, weil Gott dasselbe getan hat.
Er hat seinen Sohn gesandt, weil er es nicht mehr ausgehalten hat,
weil er nicht mitansehen konnte, wie friedlos es auf unserer Welt zugeht.
Wie lieblos und wie hoffnungslos

Wenn wir Weihnachten feiern, dann lassen wir uns davon anstecken.
Denn Gott hat sich anders auf diese Welt eingelassen, als wir das je könnten.
Er hat sich dieser Welt gestellt mit mehr Hoffnung und mit mehr Liebe als wir das je könnten.

Und: Sich von dieser Liebe und dieser Hoffnung Gottes anstecken zu lassen, das ist der eigentlich Sinn davon, dass wir Weihnachten feiern.

Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht!
Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.

Noch einmal:
Das, was da an Weihnachten auf die Welt kommt,
die Hoffnung, die Liebe, das Licht,
das ist nicht weniger wirklich als alles, was uns in diesen Tagen, Wochen und Monaten belastet.

Weihnachten feiern, das ist nicht Flucht in eine kitschige Scheinwelt, sondern das ist harte Arbeit.
Arbeit an uns.
Arbeit an unserer Hoffnung, an unserer Freude, an unserer Liebe.
Arbeit, die sich lohnt, weil sie die Welt verändert.

Liebe und Hoffnung haben es schwer.
Immer schon.

Viel lauter waren immer schon die Hater und Hetzer,
die Düstermaler und die Schreckenspropheten.
Die Leute, die wollen, dass ich mich fürchte.
Die Leute, die von Verschwörungen reden.
Die Leute, die wollen, dass ich vor lauter Furcht den Verstand ausschalte.
Die sind laut.

Liebe und Hoffnung dagegen sind ganz still auf die Welt gekommen.
In einem kleinen Kind am Ende der damaligen Welt.
In einem Stall, vollkommen schutzlos.
Das ist es, was davon am Anfang sichtbar war:
Ein kleines Kind, dessen völlig erschöpften und überforderten Eltern ihm nicht mehr bieten konnten als eine Futterkrippe, die sie zum Säuglingsbett umfunktioniert hatten.

Und es sah nun wirklich nicht so aus, als ob dieses Kind irgendetwas bewegen würde auf der Welt.

Aber der Mensch, der damals geboren wurde, hat sich von der Liebe treiben lassen, er hat Menschen geheilt, er hat ihnen neues Leben geschenkt.
Jesus hat die Welt und ihre Abgründe nicht gescheut.
Er ist hingegangen zu denen, die es hart getroffen hat.
Zu den Aussätzigen und zu den Verbrechern,
zu den Abhängigen und zu den Fremden.

Er hat ihnen Hoffnung gegeben und er hat die Liebe gepredigt.
Liebe statt Hass, Hoffnung statt Verzweiflung.

Und schon damals waren die Menschen eher skeptisch,
wenn ihnen jemand mit Hoffnung und mit Liebe kam.
Dabei sind sie die einzige Chance, die diese Welt hat.

Nichts anderes kann diese Welt retten, als die Liebe und die Hoffnung, die von Gott kommen.
Von wem sollten sie auch sonst kommen?

Wir Menschen sind dazu von selbst offensichtlich nicht fähig.
Deshalb braucht es Weihnachten, deshalb sendet Gott seinen Sohn auf die Welt:
Dass wir in ihm sehen, wie wir lieben können und wir wir hoffen können.

Und das haben wir auch bitter nötig.
Es ist unglaublich, wie schnell sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland gewandelt hat.
Wie sehr Hass zu einem Problem geworden ist.
Wie leicht sich Menschen manipulieren lassen.
Und meinen, nur extreme Positionen seien gute Positionen.
Die Mitte, der Kompromiss, das Abwägen, die sind zu Zeichen der Schwäche geworden.

Und weil das so ist, weil Menschen sich immer eher fürchten statt Hoffnung zu haben.
Und weil diese Furcht so leicht zu gegenseitigem Hass führt:
Weil das so ist, deshalb brauchen Weihnachten so dringend!
Gott kommt auf die Erde, um Menschen anzustecken mit seiner Liebe.
Damit sie aufhören, Angst zu haben und anfangen zu hoffen.

Weihnachten ist das Bild dafür, dass Gott uns nicht vergessen hat.
Er ist in diese Welt gekommen, um uns zu heilen.

Das zu glauben, trotz allem,
das hat den Menschen durch die Jahrhunderte Mut und Zuversicht gegeben.
Und das kann auch uns Mut und Zuversicht geben.
Und die Kraft zur Liebe.

Dieses Kind im Stall verändert nicht die Welt für uns.
Aber es will sie mit uns verändern:
Es will uns anstecken mit seiner Liebe, mit seiner Hoffnung,
uns ein Leben schenken, wie Gott es sich für uns wünscht.
Und dann mit uns diese Welt verändern.

Davon will ich mich gerne anstecken lassen.
Und ja, dazu hilft es, zu singen.
Laut zu singen.
Gegen den Hass und die Verzweiflung in der Welt anzusingen.
Gott zu loben, auch wenn uns mehr nach Sorgen und Angst und Trauer und Wut ist.

Dass Gott auf die Welt kommt, das ist die größte Chance, die wir Menschen je hatten.
Wenn etwas die Welt verändern kann, dann seine Liebe.
Und unser Glaube daran.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.