Es wird sehr gut sein | nikolaushueck blog

Es wird sehr gut sein

Predigt zu Gen 1f

Eintrag vom

Den Predigttext für heute kennen Sie alle.
Er ist vielleicht der berühmteste Text der ganzen Bibel.
Und er steht ganz an ihrem Anfang.
Ich lese aus der Schöpfungsgeschichte im Buch Genesis,
Kapitel 1 und 2:

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.
Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.
So vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.
Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.

Sie haben es natürlich gemerkt:
Vorgeschlagen für heute ist nicht die ganze Schöpfungserzählung.
Sondern nur einige wenige Verse daraus.
Das ist gut - weil der Text ansonsten zum Vorlesen sehr lang wäre.
Aber es ist nicht gut, weil so der Text ganz anders wirkt.

Eigentlich müssten wir nochmal den ganzen Text lesen.
Dann würden wir noch viel deutlicher merken:
Was wir hören, das ist eigentlich ein Lied.
Ein Hymnus. Ein Lobgesang.
Sieben Tage, sieben Strophen.
Immer wieder hören wir den Refrain.
Beim ersten mal heißt er:
"So wurde aus Abend und Morgen der erste Tag."
Und immer wieder hören wir die Worte:
"Und Gott sah, dass es gut war."

So hört sich kein nüchterner Bericht an.
So hört sich niemand an, der einfach nur beschreiben will, wie unsere Welt entstanden ist.
Dieses Lied ist viel mehr als das.

Deshalb ist die heutige Wissenschaft ganz sicher keine Konkurrenz für diesen Schöpfungshymnus.
Der Urknall der Naturwissenschaft und die Schöpfung der Bibel -
sie spielen sich auf zwei völlig unterschiedlichen Ebenen ab.

In der Naturwissenschaft geht es um den menschlichen Forscherdrang.
Es geht darum, möglichst alles genau herauszufinden,
möglichst weit an den Anfang zurückzuschauen.

In der Bibel geht es dagegen um die Frage:
Wie viel Vertrauen darf ich haben in diese Welt?
Wer bändigt das Chaos?
Wie freundlich oder wie feindlich sind mir die Elemente, das Wasser, die Sonne, die Dunkelheit?

Das Atemberaubende, das Erstaunliche, auch das Irritierende an diesem Bibeltext ist doch nicht, dass der Schöpfungshymnus unserem Wissen heute widerspricht.
Das Atemberaubende, das Erstaunliche und das Irritierende ist, dass dieses Lied sagt: Die Welt, in der wir leben, ist gut.
Sie ist gut, weil sie von Gott geschaffen ist.
Und er hat sie so geschaffen, dass wir gut darin leben können.
Dieses Schöpfungslied sagt noch mehr:
Gott hat auch die Menschen geschaffen - und er hat sie nach seinem Bild geschaffen. Jeder Mensch ein Abbild Gottes!

Das ist das Verrückte an diesem Text.
Dieses Vertrauen in die Welt.
Dieses Vertrauen darauf, dass Gott alles gut gemacht hat, was um uns herum ist.
Und dass er sogar uns selbst gemacht hat.
Uns Menschen, die doch zu so grausamen Dingen fähig sind.
Auch uns hat er gemacht. Nach seinem Bild.
Das ist doch das eigentlich Verrückte an diesem Text.

Ich stelle mir vor, wie die Israeliten in der Gefangenschaft in Babylon saßen.
Gerade hatten sie einen brutalen Krieg verloren.
Viele waren gefallen, viele waren gefangen genommen und grausam behandelt worden.
Die Oberschicht hatte man verschleppt.
Und nun saßen sie da als Gefangene im Exil und lasen sich diese Worte vor: "Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut."
Wie viel Vertrauen steckt in diesem Satz!
Wie viel Trotz auch,
Trotz gegen die Sieger dieses Kriegs.
Trotz gegen ihre neuen Herren.
Trotz trotz aller Grausamkeit, die sie gerade erlebt hatten.
Wir sind Menschen, die Gott geschaffen hat.
Er hat uns als Bild von sich selbst geschaffen.
Auch die Gefallenen. Auch die Verwundeten.
Auch die Geknechteten und die Verschleppten.

Das finde ich das Unwahrscheinliche an diesem Text:
Menschen haben geglaubt und gehofft,
haben weiter auf Gott vertraut und sich nicht klein machen lassen.
Obwohl sie Grausames erlebt hatten.
Obwohl sie eher Grund zur Verzweiflung hatten.
Sie haben Gott gepriesen - auch als sie ganz unten waren.

Das finde ich das Unwahrscheinliche an diesem Text.
Nicht dass unsere Wissenschaft sich heute ein anderes Bild macht über die Entstehung der Welt.

Der Mensch ein Abbild Gottes.
Das hat sich keine andere Kultur, keine andere Religion getraut.
Dort war es höchstens der König, der Pharao, der gottgleich war.
Aber jeder Mensch ein Bild Gottes? Das war neu.
Und es wirkt bis heute.
Es prägt unser Menschenbild.
Bis in unser Grundgesetz hinein:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Die Gequälten und Gefolterten,
die grausam Ermordeten von Butscha oder Mariopol,
sie sind von Gott geschaffen - nach seinem Bild.
Sie waren und sind unendlich wertvoll, jeder und jede von ihnen.
Ihre Würde steht über allem, sie kann nichts entstellen.
Ihre Würde steht über jedem denkbaren Kriegszweck.
Über jedem Ziel, das ein Herrscher mit einem Krieg verbinden könnte.
Wer auch nur einem oder einer von Ihnen etwas antut, vergeht sich an Gott.
Denn Gott hat sie als sein eigenes Abbild geschaffen.
Das glauben wir.

Die russischen Soldaten - es fällt schwer, das so zu sagen:
Aber auch die russischen Soldaten, die diese grausamen Taten begangen haben,
auch sie sind von Gott geschaffen nach seinem Bild.
Die Mörder und Vergewaltiger, die grausamen Herrscher und finsteren Folterknechte,
auch sie sind Gottes Geschöpfe.
Auch sie hat er nach seinem Bild geschaffen.
Es stockt der Atem, wenn man das ausspricht und eigentlich ist das unerträglich.
Aber anders kann ich die Bibel nicht verstehen.

Der Mensch hat viel Macht bekommen, als Gott ihn geschaffen hat. Und die kann er zum Guten oder zum Bösen gebrauchen.
Er kann anderen helfen, er kann mit Gott an seiner Schöpfung mitarbeiten.
Die Landschaften blühend und die Menschen glücklich machen.
Das ist der Auftrag, den wir von Gott bekommen haben.

Aber der Mensch kann eben auch Gottes Willen verfehlen.
Auch dazu hat er die Macht.
Er kann seine Macht zum Bösen gebrauchen.
Er kann gegen Gottes Willen arbeiten.
Er kann unendlich tief sinken.

Und trotzdem bleibt er ein Geschöpf Gottes.
Mit aller Macht und aller Freiheit und aller Verantwortung.
Gerade das macht seine Grausamkeit dann so furchtbar und so schrecklich. Und so unverständlich.

Natürlich wussten das auch die Israeliten damals in Babylon.
Sie wussten, wie grausam Menschen sein können.
Und sie haben trotzdem der Schöpfung Gottes vertraut.
"Und siehe, es war sehr gut".
Mit allem Guten und trotz allem Bösen.
Mit allem Hellen und trotz allem Dunklen.
Mit allem, was ihnen Hoffnung gegeben
und trotz allem, was ihnen Angst gemacht hat.
Es war sehr gut. Es ist sehr gut.

Wann man das heute so sagt, dann scheint es fast aus der Zeit gefallen.
Krankheiten, drohende Klimakatastrophe, Angst vor einem Atomkrieg: Wer kann da schon irgendetwas gut finden?

Ich will trotzdem dabei bleiben:
Ich will mein Vertrauen nicht verlieren.
Mein Vertrauen, dass diese Welt gut geschaffen ist.
Mein Vertrauen, dass Gott sie nicht nur geschaffen hat, sondern bei ihr bleibt.
Bei uns bleibt. Bei mir bleibt.

An Apokalyptikern mangelt es nicht.
Auch nicht an Horrorszenarien, was alles auf uns zukommen könnte.
Wie sich die Menschheit selbst bedroht.
Wie wir uns unsere eigenen Lebensgrundlagen kaputt machen.
Die Schwarzseher überbieten sich gegenseitig.
Und sie haben ja auch nicht Unrecht.

Vieles von dem, was wir Menschen mit unserer Erde und mit uns selbst machen, ist blind, grausam und gefährlich.
Es hilft nichts, davor die Augen zu schließen oder den Kopf in den Sand zu stecken.
Wir haben die Macht, unsere Erde zu zerstören.
Gott hat sie uns gegeben.
Wir sind sein Abbild.
Ich glaube nur, dass die Angst nicht unser Lebensgefühl werden darf.
Nicht von uns, die wir an Gott glauben und seine gute Schöpfung.

Wenn sich in den Medien die Apokalyptiker die Klinke in die Hand geben -
Wenn sich die Horrorszenarien überschlagen,
dann will ich nüchtern bleiben.
Nüchtern, vertrauensvoll und zuversichtlich.

Das ist das, was mir die Schöpfungsgeschichte sagt:
Gott hat diese Welt gut geschaffen.
Daran will ich festhalten.

Das heißt nicht, dass ich die Hände in den Schoß legen darf.
Im Gegenteil: Ich will alles tun, was ich tun kann.
Ich will helfen, wo ich helfen kann.
Ich will andere glücklich machen und zufrieden, wo immer das geht.
Ich will mich für den Frieden einsetzen, wo ich nur kann.
Ich will meiner Verantwortung gerecht werden, als Gottes Geschöpf, Gottes Abbild.

Aber dann, wenn ich alles getan habe:
Dann darf ich darauf hoffen, dass Gott seine Schöpfung nicht im Stich lässt.
Er hat die Welt erschaffen. Ich bin sein Geschöpf.
Deshalb will ich wirklich alles tun, was mir möglich ist.
Und darf den Rest getrost Gott überlassen.
Und siehe, es wird sehr gut sein.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.