Was hilft gegen Dunkelheit? | nikolaushueck blog

Was hilft gegen Dunkelheit?

Meine Predigt zu 2. Kor 4,6-10 in der Dreifaltigkeitskirche Augsburg-Göggingen

Eintrag vom

Denn Gott, der da sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass die Erleuchtung entstünde zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.
Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.
Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Ein echter Paulus.
Ewig lange Sätze, viele Wörter.
Und am Ende weiß man nicht so ganz genau, ob man ihn wirklich verstanden hat.
Jedenfalls mir geht es so.

Aber dann, wenn man genauer hinschaut. Nochmal liest.
Dann ist das ein ganz großartiger Text.
Vor allem ein Text voller Hoffnung.
Ich finde, er passt ganz genau in diese Zeit:
An das Ende der Weihnachtszeit und an den Anfang dieses Jahres 2024.
Vielleicht war es bei Ihnen ja ähnlich:
Die Weihnachtskarten, die ich jetzt so allmählich wegräume -
die meisten von ihnen hatten einen anderen Ton als sonst.
Sie waren irgendwie düsterer als in früheren Jahren.
Und manche klangen richtig müde und erschöpft.

Kaum einer unserer Freunde und Bekannten hat uns diesmal einfach so "fröhliche Weihnachten" gewünscht.
In fast allen Karten ging es um die Sorgen, die man sich in dieser Zeit macht.
Um den Zustand der Welt, um die Dunkelheit, die in so vielen Weltgegenden herrscht.
Und um die Ängste, die das auch hier bei uns auslöst.

Eine Freundin hat mir sogar gesagt, dass sie gar keine Weihnachtskarten geschrieben hat.
Ihr sei in dieser Zeit einfach nicht nach fröhlichen Weihnachten, zumute gewesen.

Vielleicht gab es das schon in den vergangenen Jahren.
Aber dieses vergangene Weihnachten ist mir der düstere Unterton der Weihnachtskarten besonders aufgefallen.
Und irgendwie kann ich das schon nachvollziehen:
Es gibt so viel, über das man sich Sorgen machen kann.
Es gibt so viel, das einem die Dunkelheit ins Herz treiben kann.

Der russische Überfall auf die Ukraine und dieser furchtbare Krieg, der einfach nicht aufhören will.
Der Terrorüberfall auf Israel und die schrecklichen Bilder aus Gaza.
All die Menschen, die leiden und sterben, die trauern, ihre Heimat verlieren:
Es ist kaum auszuhalten.
Auch für mich nicht, der ich immerhin durch die Scheibe meines Fernsehers davon getrennt bin.

Und auch bei uns gibt es genug Anlässe, sich Sorgen zu machen.
Um unsere Demokratie, die immer offener und dreister angegriffen wird.
Von Leuten, die nichts als Hass und Spaltung kennen.
Und ansonsten keinerlei Idee haben, wie wir die wirklichen Probleme in unserer Gesellschaft lösen.

Viele wissen kaum, wie sie die nächste Strom- oder Gasrechnung bezahlen sollen.
Wo sie Betreuung für ihre Kinder finden
oder wie eine bezahlbare Wohnung.

Und auch bei uns in unserer Kirche gibt es diese Finsternis.
Unsere Evangelische Kirche ist kein besserer Ort als der Rest der Gesellschaft - so sehr wir das manchmal hoffen.
Menschen, meist Männer, die ihre Macht ausspielen.
Missbrauch, Vertuschung. Es ist einfach nur furchtbar.
Darüber werden wir weiter reden müssen.
Den Opfern beistehen. Und - bei allen Schwierigkeiten - Licht in die noch dunklen Bereiche bringen.
So viel Leid, so viel Elend auf der Welt,
so viel Müdigkeit, Erschöpfung - Sorge, Angst.

Was hilft?
Jedenfalls nicht, dass man Weihnachten auslässt.
Dass man Weihnachten überspringt, weil einem nicht nach Feiern zumute ist.

Ich glaube: Es braucht genau das Gegenteil.
Irgendetwas muss doch in dieser Dunkelheit leuchten.
Irgendwie muss doch Licht in unsere Herzen kommen.

Ich glaube, gerade in dieser Zeit braucht es Weihnachten.
Gerade WEIL es dunkel wird um uns herum.
Und so verstehe ich auch Paulus, den wir heute lesen,
am Ende dieser Weihnachtszeit.

Paulus weiß, was Müdigkeit und Erschöpfung sind.
Paulus weiß auch, was Streit ist.
Und wie Streit Gemeinschaften zerstören kann.
Er erlebt das alles in Korinth, seiner Lieblingsgemeinde.

Die Christen in Korinth sind heillos zerstritten.
Er selbst steht dort auf dem Spiel.
Sein Ruf, seine Stellung - und vor allem seine Botschaft.
Man wirft ihm vor, dass andere besser reden können als er.
Besser predigen. Mit den besseren Worten und besseren Inhalten.

Und wie antwortet er?
Er sagt nicht: Eigentlich bin ich der Bessere, ihr merkt es nur nicht.
Er gibt seine Schwächen ganz offen zu.
Aber er sagt auch: Es geht ja gar nicht um mich.
Es geht um Gott.
Allein das zählt, was Gott tut.
Allein davon will Paulus erzählen.
Allein das will er verkündigen.

Er will sich nicht selbst größer machen als er ist.
So wie es die anderen Prediger machen.
Er weiß, dass er nicht glänzen kann,
dass er das Wettglänzen der Redner verlieren würde.

Deswegen schreibt er:
"Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns."

Ich finde das ein starkes Bild:
Die unglaubliche Botschaft von der Liebe Gottes - die haben wir nur in irdenen Gefäßen.

Die riesengroße Hoffnung, die in unserem Glauben liegt -
die Erwartung, dass Gott diese Welt nicht nur erschaffen hat -
sondern dass er auch weiterhin sein Licht in dieser Welt leuchten lässt - alles das haben wir nur im Verborgenen.

Nicht da ist Glaube drin, wo es äußerlich glänzt und glitzert.
Nicht da ist Glaube drin, wo jemand die Massen mit gefälligen Phrasen begeistert.
Nicht da ist Glaube drin, wo jemand unerschütterlichen Optimismus zur Schau stellt.

Glaube äußert sich im Kleinen.
Manchmal können wir nur stammeln, wenn wir von unserer Hoffnung erzählen wollen.
Manchmal bleiben uns nur hilflose Gesten, wenn wir jemanden trösten wollen.
Manchmal spüren wir die Liebe Gottes nur in einer zaghaften Berührung.

Aber in diesen irdenen, zerbrechlichen Gefäßen ist alles enthalten, sagt Paulus.
Gott ist an Weihnachten als Kind in einem windschiefen Stall auf die Welt gekommen.
Und so sollen wir auch von ihm reden, von ihm denken:

Er ist da mächtig, wo es äußerlich nicht besonders doll ausschaut.
Er ist da mächtig, wo wir schwach sind.
Wo wir wissen, dass wir zerbrechlich sind.
Gott wirkt da, wo wir uns so zurücknehmen, damit er Raum hat.
Wo wir erst einmal hören, bevor wir wieder gleich zu reden anfangen.

Macht das unseren Glauben schwach?
Nein, kein bisschen.
Im Gegenteil: Auch wenn man es ihm von außen nicht ansieht:
Glaube kann unendlich stark sein.
Glaube, so wie ihn Paulus versteht, kann die Wirklichkeit verändern.
Auch wenn er in einem zerbrechlichen Gefäß kommt.

Und jetzt kommen die Sätze, die ich so großartig finde:
Und so passend zu unserer Zeit und zu unserer Stimmungslage:

Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.
Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.
Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.

Glaube, das ist das große "Aber" in der Welt, sagt Paulus.
Das große "Trotzdem".
Glaube ist die Kraft, die uns nicht verzweifeln lässt.
Auch wenn es draußen finster wird.
Auch wenn die Dunkelheit dieser Welt herankriecht.

Wir müssen diese Dunkelheit nicht in unsere Herzen lassen.
Weil wir wissen: Gott hat Licht in diese Welt gebracht.
Und auch wenn man dieses Licht nicht immer sieht:
Es ist da. Und es gibt Kraft. Und es macht Hoffnung.

Das ist unser Glaube:
Das helle, klare und reine Licht:
Gott hat es am Anfang der Welt geschaffen.
An Weihnachten hat es in der Krippe geleuchtet.
Und seitdem hat es nicht mehr aufgehört zu scheinen.
In den Herzen der Menschen.

Dieser Glaube verändert nicht sofort die Welt.
Er verändert erst einmal nur uns.
Aber das ist schon eine ganze Menge.

Ich stelle mir vor, wie die Menschen in der Ukraine diese Sätze hören:
Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.

Ich stelle mir vor, wie die Todkranken, die Verlassenen, die Gefährdeten diesen Satz sprechen:
Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.

Ich stelle mir vor, wie ihnen diese Sätze Kraft geben.
Wie ihnen das "Aber" in diesen Sätzen Hoffnung gibt.

Die Finsternis wird deswegen nicht weniger finster.
Aber wer so glaubt, bei dem hat es die Finsternis schwer.
Wer so glauben darf, verliert nicht seine Hoffnung.
Und das nicht deshalb weil er selbst so stark ist.
Oder weil er selbst so stark sein muss.
Gott gibt seine Kraft nicht denen, die sowieso schon stark sind.
Gott gibt seine Kraft und sein Licht und seine Liebe in irdene Gefäße.
In uns Menschen, die zerbrechlich und ängstlich und oft genug ziemlich mutlos sind.

Glaube heißt nicht: Ich muss mich zusammenreißen.
Ich muss unerschütterklich sein.
Ich darf nicht wanken.
Das ist nicht der Glaube, den Paulus meint.

Glaube heißt bei ihm:
Ich lasse das Licht in mein Herz.
Und dort vertreibt's die Finsternis.

Und ja, die Stimmung am Anfang dieses Jahres 2024 ist alles andere als gut.
Leider zu Recht.
Aber nichts wird besser, wenn wir alle einstimmen in die allgemeine Klage.
Ich jedenfalls will meine Hoffnung auf das Aber setzen.
Darauf, dass Gott sich auch im Finsteren nicht davonmacht.
Dass er da ist, auch wenn man sein Licht gerade nicht sehen kann.
Das glaubt niemand umsonst. Das ist meine Hoffnung.
Amen.