Durst auf Hoffnung | nikolaushueck blog

Durst auf Hoffnung

Meditation zu "mich dürstet", eines der sieben letzen Worte Jesu am Kreuz

Eintrag vom

Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. (Joh 19,28f)

Am Kreuz hängt kein Halbgott.
Am Kreuz hängt ein Mensch, ein Mensch durch und durch. Vielleicht wird das an keiner anderen Stelle so deutlich wie hier.

Jesus hat Durst.
Das Trinken zu verweigern - das ist die vielleicht härteste Folter, die sich Menschen gegenseitig antun können.
Der Durst fährt tief in einen Menschen hinein.
Er nimmt ganz von uns Besitz.
Der Körper schreit auf, wenn das Wasser fehlt.
Und der Körper reißt den Geist mit.

Kein Halbgott ist Jesus - sondern Mensch.
Er hat viel ausgehalten in seinem Leben.
Er hat unendlich viel gegeben.
Und er hat sich dabei eins gewusst mit dem Vater.

Aber jetzt?
Von seinem Leben bleibt nur dieser unsägliche Schmerz.
Der Durst.
Der Schrei.
"Mich dürstet".
Ein Schrei nach Hilfe.
Nach Mitleid.
Nach Barmherzigkeit.

Einer wenigstens erbarmt sich und gibt ihm etwas.
Immerhin - auch wenn es nur Essig ist.
Aber es kühlt und macht die Lippen feucht.

Kein Halbgott also, sondern ein Mensch hängt da.
Mit zutiefst menschlichen Bedürfnissen.

Wenn ich ihn an ansehe, an diesem Karfreitag -
Ich kann gar nicht anders als an alle Menschen heute zu denken, die der Durst quält.
Ich denke an die Menschen, die an Wassermangel leiden.
An der Dürre, die sich immer weiter ausbreitet auf unserer Erde. Ich denke an die Menschen, deren Wasserversorgung kaputtgeschossen und kaputtgebombt werden.
Und die verzweifelt Salz- oder Dreckwasser trinken,
und dadurch krank werden.
Alle diese Menschen spiegeln sich im Gesicht Jesu am Kreuz in diesem Moment.

Aber auch ich selbst spiegele mich dort.
Denn dieses Gefühl, den Schmerz, den Durst - das gibt es auch im übertragenen Sinn.
Und auch dieser Durst kann den ganzen Menschen quälen.

Der Durst nach Liebe zum Beispiel:
Wie viele Menschen, vielleicht auch unter uns hier, sehnen sich nach Liebe.
Nach jemandem, mit dem sie sich tief verstehen.
Die sie in den Arm nimmt.
Vor der sie nicht die Starken spielen müssen.
Der ihnen verzeiht, auch wenn sie sind, wie sie eben sind.

So viele leben einsam, auch unter uns.
Und das muss man ihnen von außen vielleicht gar nicht ansehen. Der Durst nach Liebe bleibt.

Oder der Durst nach Hoffnung:
Mitten in allen dieser schrecklichen Nachrichten, was Menschen sich gegenseitig und was Menschen der Natur antun: - die Kriege, der Hass, die Lüge, der Missbrauch von Macht, die Zerstörung der Natur -
Wo soll da Hoffnung herkommen?
So gibt es unendlich viel Zukunftsangst, gerade bei den Jüngeren.
Und diese Hoffnungslosigkeit dringt tief in ihre Herzen ein.
Die einen leben, als ob es kein Morgen gäbe.
Die anderen wehren sich, kleben sich auf der Straße fest, protestieren.
Und wieder andere ziehen sich in sich selbst zurück.
Der Durst nach Hoffnung bleibt.

Alle diese Menschen spiegeln sich in diesem Menschen, der am Kreuz hängt.
Er kennt den Durst.
Er hat ihn selbst erlitten - bis zum Ende.

Aber in seinem Gesicht spiegelt sich noch mehr.
Es spiegelt sich auch die Liebe darin.
Gleichzeitig.
Das ist das, was diesen Menschen zu Gottes Sohn macht:
Die Liebe, von der er so oft gesprochen hat in seinem Leben.

Selbst jetzt noch, selbst in diesem Augenblick, schon halb tot: Selbst jetzt hält er fest an ihr.
In seinen Augen glimmt kein Hass, keine Rachegedanken, sondern die Liebe.

Und die Hoffnung:
Wir wissen, was er noch nicht weiß.
Wir wissen,
auch wenn er es noch nicht spüren kann:
Es gibt Hoffnung.
Es ist nicht umsonst, was er jetzt erleidet.
Die Hoffnung, dass der Vater es zum Guten wenden wird, trotz allem.
Diese Hoffnung hat er uns geschenkt.

Wie löschen wir unseren Durst?
Vielleicht fangen wir damit an, genau hinzuschauen.
Auf das Leid der Menschen.
Und auf diesen einen Menschen, der am Kreuz hängt.
Der uns selbst am Kreuz noch zeigt, was Liebe ist.
Und der die Todesqualen ausgehalten hat, damit wir Grund zur Hoffnung haben.

Jesus selbst hat es so gesagt:
Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird nie wieder Durst haben (Joh 4,14)
Amen